Fast einhundert alleinstehende oder einsame Menschen waren der Einladung des Würzburger Orts- und Kreis-Caritasverbandes zur Weihnachtsfeier in das Lioba-Heim gefolgt. Bei Punsch und Kerzenschein sangen sie mit Weihbischof Helmut Bauer Weihnachtslieder. Den Kuchen hatten Schüler der Jakob-Stoll-Realschule gebacken.
Zum ersten Mal seit 43 Jahren mussten die Gäste der Caritas ohne die langjährige Hausleiterin, die Benediktinerin Sr. Stefana Falkenrich, feiern. Im Sommer hatte sie zusammen mit einer letzten Mitschwester das Haus verlassen und damit die 1964 begonnene Ära der Benediktinerinnen beendet. Caroline Manderbach, die neue Hausleiterin, übermittelte den Gästen liebe Grüße von ihr und ließ eine Grußkarte für sie herumgehen. Werner Häußner, Vorsitzender des Orts- und Kreis-Caritasverbandes, lud alle Anwesenden zum Mitsingen ein, wenn er gleich mit Weihbischof Helmut Bauer zurückkomme.
Auf den Weihbischof hatten sie alle gewartet. Für ihn sei es eine schöne Tradition, hier im Lioba-Heim Heilig Abend zu feiern, so Bauer. Da er im kommenden Jahr 75 Jahre alt werde und sein Rücktrittsgesuch einreichen musste, wisse er noch nicht, ob er im kommenden Jahr noch als Weihbischof kommen könne. Doch er komme auf jeden Fall wieder, so Bauer. Seine Weihnachtsgeschichte beschrieb, wie deutsche und französische Soldaten einmal inmitten der mörderischen Schützengräben des Ersten Weltkriegs zusammen Weihnachten gefeiert hatten. "Gehen Sie daher auf dem Weg des Friedens", gab er den Gästen mit auf den Weg. Nach dem offiziellen Teil, musikalisch mit Posaune und Piano begleitet von Norbert Engert Sebastian Hensel, ging er von Tisch zu Tisch und begrüßte die Menschen.
Viele waren Stammgäste, viele von ihnen wäre ohne diese Feier mit ihrem Fernseher alleine in ihren vier Wänden geblieben. Wie Lina Grasmück. Zum zweiten Mal war die 51-jährige Frau dabei, diesmal hatte sie ihren Vater aus Krefeld dazu geholt. Die Mutter ist tot, zwei Schwestern leben noch in Krefeld. Lina Grasmück ist seit fünf Jahren in Würzburg. Vor acht Jahren war sie mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin aus Kasachstan hierher gekommen. Erst lebten sie einige Jahren in Thüringen, dann zog sie wegen ihrer Tochter nach Würzburg. "In Kasachstan haben wir Weihnachten auch mit Plätzchen, Tannenbaum und Geschenken gefeiert", erzählte sie. Das Christkind sei immer auf einem Schlitten gekommen und der Schnee habe hoch gelegen. Die Kasachen hätten aber mit diesen Bräuchen der Deutschen wenig anfangen können. Lina Grasmück, die ein sehr gutes Deutsch spricht, ist Deutschlehrerin - leider arbeitslos. Ihr 80-jähriger Vater war Traktorist. Seine Augen leuchten bei Liedern wie "Stille Nacht" oder "O du fröhliche". "Solche Lieder haben wir zuhause auch immer gesungen", erzählt Lina Grasmück. In Deutschland fühle sie sich sehr wohl, es sei immer dort gut, wo man sich heimisch fühle. "Hauptsache, es sind gute Leute".