Die Ansprache im Wortlaut:
Die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen wie auch ihrer Angehörigen, war und ist mir in meinem pastoralen, seelsorglichen Dienst immer ein wichtiges Anliegen. Die Begegnung mit Menschen und ihrer ganz persönlichen und individuellen Situation hat mich und meine Sicht auf das Leben zutiefst geprägt. Deswegen möchte ich meine Ausführungen auch mit vier konkreten, aber ganz unterschiedlichen Erlebnissen verbinden. Von daher bringt folgendes Zitat meine Erfahrung auf den Punkt: „Begleiten ist kein Tun, sondern ein Sein!“
Es liegt ungefähr zwanzig Jahre zurück. Ich kam auf die Intensivstation zu einem Mann aus meiner damaligen Gemeinde. Auch wenn er kein Kirchgänger war, kannte ich ihn sehr gut. Er war nicht mehr ansprechbar. Ich berührte ihn mit der Hand, nannte meinen Namen, und dass ich gerade jetzt sehr gerne zu ihm gekommen sei. Er blieb die ganze Zeit unverändert liegen, ruhig und ohne jegliche Regung. Etwa zehn Minuten später kam seine Frau hinzu. Sie beugte sich über ihn, gab ihm einen Kuss auf die Stirn, sprach seinen Namen aus und streichelte ihn. Da plötzlich schlugen die Oszilographen an den medizinischen Messgeräten heftig aus. Offensichtlich reagierte er im Unterbewusstsein auf die vertraute Nähe seiner Frau. Diese Nähe umgab ihn bis zu seinem letzten Atemzug wenige Stunden später.
Auch wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung, wie Umfragen belegen, gerne in den eigenen vier Wänden sterben möchte, wurde in der gerade beschriebenen Situation deutlich, dass die entscheidende Frage nicht ist, WO der Mensch stirbt, sondern WIE er stirbt, und ob er dabei die nötige Hilfe erfährt und menschliche Nähe spürt. Denn an jedem Ort, in der eigenen Wohnung wie in der Klinik, können Menschen verlassen und einsam sterben oder mit persönlicher Zuwendung und guter Pflege.
Deshalb nun eine andere für mich unvergessliche Situation. Sie liegt mehr als dreißig Jahre zurück. Ich hatte Rufbereitschaft für das Krankenhaus und kam so zu einem Patienten, der keine 60 Jahre alt war. Ich erfuhr, dass seine gesundheitliche Verfassung sich rapide verschlechterte. Auf der Intensivstation angekommen, machte mich die Pflegekraft mit der Ehefrau und der Tochter bekannt, die vor der Station warteten. Ich lud sie ein mitzukommen, um gemeinsam ihren Mann bzw. Vater zu begleiten. Beide aber weigerten sich beharrlich mit der Begründung, dass sie das nicht mit ansehen könnten. So ging ich begleitet von der Krankenschwester zu dem Sterbenden. Weil ich unsicher war, was er trotz der Bewusstlosigkeit erfasste, stellte ich mich ihm vor, sprach von der schwierigen Situation und beschrieb ihm die Bedeutung der Krankensalbung. Die Krankenschwester berührte zärtlich seine Hand und so beteten wir beide gemeinsam. Noch zehn, fünfzehn Minuten saßen wir bei ihm und begleiteten ihn im Sterben bis zu seinem Tod.
Ich bin dann aus dem Zimmer gegangen und habe der Ehefrau und der Tochter berichtet, dass er ganz ruhig und entspannt den letzten Atemzug gemacht hatte. Darauf sind beide in Tränen ausgebrochen und zu ihm gegangen.
Mir blieb keine Gelegenheit, um mit den beiden Frauen über ihre Situation zu sprechen. Ich kannte sie nicht und bin ihnen nie wieder begegnet. Dennoch wurde mir damals klar, dass das Sterben eines Menschen alle, die ihn umgeben, mit der Angst vor dem eigenen Sterben und der Angst vor dem eigenen Tod konfrontiert. Es geht also auch um die Angehörigen! In vielen Nachrichtensendungen wie auch in Krimis sehen wir ständig Bilder des Todes. Wir sprechen sogar darüber, aber viele Menschen erleben den Tod nur selten bewusst.
Professor Ernst Engelke, der seine jahrzehntelangen Erfahrungen in der Begleitung Sterbender und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in zahlreichen Veröffentlichungen weitergibt, schreibt in seinem Buch „Gegen die Einsamkeit der Sterbenden“: „Der Tod als die größte bio-soziale Gefahr des Lebens wird möglichst weit weggeschoben. Für die Sterbenden bedeutet dies: Auch sie werden weggeschoben und isoliert.“
Die Ausführungen von Professor Engelke finde ich bestätigt in einem Artikel, der gestern, am 25. November, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung abgedruckt war unter der Überschrift: „Der Riese – Die Angst vor dem Tod kann grauenhaft sein, übermächtigend und quälend. Aber es ist möglich, sie zu überwinden.“ Darin steht u.a. zu lesen: „Es gibt heute, was es seit Anbeginn der Welt noch nie gab: Millionen erwachsener Männer und Frauen, die noch nie einen Toten gesehen haben, die noch nie dabei waren, wenn ein Mensch stirbt. Manche packt heute schon das Grauen, wenn sie zu einer Beerdigung gehen müssen oder am offenen Grab einer weinenden Witwe kondolieren … Der Tod ist aus dem Kanon der kollektiven Lebenserfahrung herausgefallen.“
Deshalb ist die Hospizbewegung und die Bereitschaft, auf diese Weise Menschen nicht nur in den Stunden des Sterbens, sondern vielleicht sogar über Tage, Wochen oder gar viele Monate hinweg zu begleiten, zugleich ein deutliches und zutiefst menschliches Zeichen gegen eine zunehmende Anonymisierung und Verlassenheit des Menschen angesichts des nahenden Todes.
Die deutschen Bischöfe schrieben vor 25 Jahren: „Gegen diese häufig feststellbare Tabuisierung des Todes bemühen sich die Hospizinitiativen, das Sterben nicht bloß als Störfall des Lebens zu verstehen, sondern als eine letzte Phase vertiefter ‚Mensch-Werdung‘. Daher hat Papst Johannes Paul II. die Hospize als ‚Inseln der Humanität bezeichnet …‘“.
Dazu passt die Aussage in dem schon zitieren Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Wer in einem Hospiz arbeitet, sieht das Sterben in seiner ganzen Härte, mitunter in seiner Grausamkeit, und doch führt das nicht zu einer neuen Angst vor dem Tod, sondern zu einem vertieften Respekt vor dem Leben, dem eigenen und dem der anderen. (...) Insofern hat die Hospizbewegung (...) einen doppelten Effekt: Sie führt das Sterben aus der industrialisierten Anonymität der Intensivmedizin zurück in die Mitte des Lebens und ermöglicht einen friedlichen, familiären und häuslichen Abschied; und sie führt uns, die gescheiterten Verdrängungskünstler der modernen Welt, behutsam zurück zu einem natürlichen Verhältnis zum Tod und den Toten.“
Ich bin überzeugt, alle Menschen sind in ihrer letzten Lebensphase auf intensive Hilfe angewiesen, um menschenwürdig sterben zu können. Schon vor vierzig Jahren schrieben die Bischöfe in „Menschenwürdig sterben und christlich sterben“: „Sterbehilfe geben bedeutet: dem anderen in einer Weise nahe sein, die ihn befähigt, die verbliebenen Lebensmöglichkeiten so weit wie möglich persönlich zu gestalten und seinen eigenen Tod zu sterben.“
Deshalb habe ich in meiner Zeit als Gemeindepfarrer auch einen ambulanten Hospizdienst mit aufgebaut, weil ich mehr und mehr überzeugt war, dass durch die persönliche Begleitung von Mensch zu Mensch eine wichtige Unterstützung geschaffen wird, die es den Betroffenen wie den Angehörigen erleichtert, das Sterben, das ja zu unserem Erdendasein gehört, anzunehmen und zugleich die menschliche Würde bis zum letzten Atemzug bewahren zu können. Dabei ist wichtig, die persönlichen Wünsche wie auch die körperlichen, sozialen, psychischen und spirituellen Bedürfnisse des sterbenden Menschen soweit wie möglich zu berücksichtigen. Keinesfalls soll sich der Sterbende in seiner letzten Lebensphase alleingelassen fühlen.
Dazu eine dritte Erfahrung, von der ich berichten möchte. Ein Mann, etwa Mitte 60, seit Jahren schwer krank, kämpfte mit einer unvorstellbaren Energie gegen die Krankheit an und versuchte sich fit zu halten. Eine Flut von Behandlungen und Therapien ließ er über sich ergehen. Die Abstände zwischen den stationären Aufenthalten wurden kürzer. Umso erstaunlicher für mich war, dass ich ihn in der Zwischenzeit immer wieder auf dem Fahrrad sah, und wenn ich ihn fragte, wie es ihm gehe, er mir zurief: „Ich lass mich nicht unterkriegen!“
Es war ein Faschingssamstag in der Mittagszeit. Sein Bruder stand an der Pfarrhaustür und informierte mich, dass es dem Karl nicht gut ging, und fragte, ob ich ihn im Klinikum besuchen würde. Sofort machte ich mich auf den Weg und kam ins Zimmer. Er saß am Bettrand. Mit im Zimmer waren seine Frau, sein Sohn und seine Tochter. Die ganze Familie kannte ich gut. Die Hochzeit des Sohnes wenige Jahre zuvor war wohl die letzte Gelegenheit, bei der er einen Gottesdienst mitfeierte.
Wir kamen sehr gut ins Gespräch – über die Krankheit, die Ärzte, die Behandlung, ebenso über die Kinder und Enkel, seine Frau. Wir sprachen über seine Kindheit und Jugend, seine Eltern und Geschwister, seinen Beruf, über vieles, was er im Leben geleistet hatte; wir erinnerten uns an schöne, unvergessliche Momente und gemeinsame Erlebnisse als Familie, wir erwähnten seine offenbar unerschöpfliche Energie. Dabei kamen wir im Gespräch an einen entscheidenden Punkt. Ich sagte: „Wir alle, deine Frau, deine Kinder, deine Enkel, dein Bruder und ich wünschen dir, dass du die Kraft findest, um wieder aufs Fahrrad zu steigen und deine Runden zu drehen. Aber was ist, wenn dein Körper dir plötzlich zu verstehen gibt, ich kann nicht mehr? Magst du ihn, magst du dich dann quälen?“
Er schaute mich mit großen Augen an, schwieg einen Moment und fragte mich dann: „Was soll ich tun?“ Ich überlegte einen Augenblick und meinte: „Wir könnten den Herrgott bitten, dass er es so macht, wie es für dich am besten ist. Wenn du noch genügend Kraft hast, soll er dich er unterstützen und begleiten, wenn du wieder aufs Fahrrad steigst. Und wenn du spürst, es geht nicht mehr, dann soll er dich auffangen und dir helfen, deinen Weg zu gehen.“ Er schaute mich eine Zeit lang an, dann sagte er: „Ja, so machen wir’s!“
Er legte sich zurück ins Bett. Wir saßen um ihn. Wir beteten miteinander. Ich spendete ihm die Krankensalbung. Ich mich verabschiedete mit den Worten: „Karl, wir können immer sagen: Auf Wiedersehen!“
Ich war kaum Zuhause, vielleicht eine knappe Stunde nachdem ich das Krankenzimmer verlassen hatte, rief mich seine Frau an und schilderte mir, was in der Zwischenzeit geschehen war: „Du warst kaum aus dem Zimmer, da schaute er uns an, nahm uns bei der Hand. Wir konnten noch einiges besprechen, verabschiedeten uns ganz bewusst und dann wurde es still. Wir schauten einander an. Wir weinten, er weinte und wir waren einfach still. Vielleicht eine halbe Stunde, dann schlief er ganz ruhig ein.“
Jahre später schrieb Papst Benedikt XVI. in seiner großartigen Enzyklika „Deus caritas est“: „Der Christ weiß, wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann es recht ist, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen.“
Ernst Engelke schreibt in seinem Buch „Gegen die Einsamkeit der Sterbenden“: „In Kliniken und Hospizen entstehen neue soziale Kontakte mit Menschen, die aus professionellen Gründen als Arzt, Pflegekraft, Sozialarbeiterin, Seelsorger oder ehrenamtlich als Hospizhelferin mit dem Sterbenskranken zu tun haben. Sterbenskranke sind zufrieden, wenn sie sich in guten Händen wissen, dann werden sie innerlich ruhig und fühlen sich geborgen.“
In der erlebten Situation wurde deutlich, dass das Annehmen der Endlichkeit und die Phase des Abschiednehmens von geliebten Menschen bei allem Schmerz und aller Wehmut zu einem vertieften Miteinander und zu einer unendlich starken Nähe in Ehe und Familie geführt haben.
Die Tränen in den Augen des Schwerkranken wie der umstehenden nächsten Angehörigen belegen, dass der Boden unter den Füßen der Begleiter genauso schwankend ist wie beim Sterbenden. Es ist also nicht nur das Sterben des anderen, das wir begleiten. Durch das Sich-bewusst-Einlassen auf das Abschiednehmen verändert sich das eigene Leben und gewinnt an Bedeutung.
So oft ich den Weg von Schwerkranken begleiten und beim Sterben dabei sein konnte, habe ich vor Augen gehabt, dass Sterbende nach dem Durchleben der verschiedenen Phasen ruhig und gelassen den Tod annehmen können. Deshalb kann ich nach meiner Erfahrung dem Wort der Bischöfe „Menschenwürdig sterben und christlich sterben“ zustimmen. Sie schreiben: „Wenn der Begleiter fähig ist, sich auf diese Situation einzulassen, werden häufig die Rollen vertauscht, d. h. der Sterbende, der gerade in seiner ausweglosen Situation auf Gottes Nähe vertraut, wird zum Zeugen des Glaubens für den Begleiter und für die Umgebung. Dieses gelebte Zeugnis ist beredter als jede Sprache.“
Damit komme ich zu einem vierten Erlebnis: Eine langjährige Mitarbeiterin unseres Caritasverbandes hatte das Glück, die letzten Wochen ihres Lebens wenige Meter von hier im Juliusspital auf der Palliativstation verbringen zu dürfen. Bei meinem Besuch staunte ich über die Klarheit, mit der sie ihre Situation erfasste und wie wertschätzend sie sich über die Sorge der Ärzte und Pflegekräfte äußerte und schließlich ihre Anliegen im Blick auf ihre hochbetagte Mutter wie auch auf ihre Tochter kundtat, und dass sie ihre Bitten für die Gestaltung des Abschieds sehr konkret benannte. Schließlich habe ich ihr versprechen müssen, dass ich sie beerdige. Weil sie schon die Krankensalbung erhalten hatte, war es ihr Wunsch, dass ich ein Segensgebet über sie ausspreche, bevor ich mich von ihr verabschiedete.
Aus meiner seelsorglichen Erfahrung weiß ich aber, dass auch gläubige Menschen keineswegs immer so ergeben, angstfrei und dankbar sterben wie sie. Sie sträuben sich genauso gegen ihr Sterben wie Nichtgläubige. Für gläubige Sterbenskranke ist ihr Kranksein zumeist schwer erträglich, auch sie möchten leben, auch sie haben Angst und zweifeln, ob Gott nahe und barmherzig ist, auch für sie ist offen, was mit dem Tod kommt. Zum besseren Verständnis unserer langjährigen Caritasmitarbeiterin muss ich noch ergänzen, dass sie im Laufe ihres Lebens zwei vieljährige, schwere Krankheitsphasen durchlebt und durchlitten hat und – so möchte ich sagen – mehr vom Leben verstanden hat als viele scheinbar Gesunde. Sie ist in der bewussten Auseinandersetzung mit ihrer Situation über Jahre hinweg innerlich gereift.
Anselm Grün, der weithin bekannte Münsterschwarzacher Benediktiner, der mit seinen Gedanken und Schriften Millionen von Menschen in Krisensituationen Trost gespendet und Mut gemacht hat, berichtete vor zehn Tagen in einem großen, zweiseitigen Interview in der Würzburger Main Post von seiner eigenen Erfahrung vor wenigen Jahren, als ihn die Diagnose Krebs verunsichert und in ihm die Frage nach dem Warum ausgelöst hat, wobei manche Hoffnung zerbrochen ist: „Da spüre ich schon eine gewisse Angst, mich damit auseinanderzusetzen.“ Er ist sehr zurückhaltend mit frommen Deutungsversuchen. Er sagte: „Was dann wirklich im Sterbeprozess sein wird, weiß keiner. Ich habe viele Menschen auf ihrem Weg in den Tod begleitet. Sie hatten weniger Angst vor dem, was anschließend kommt, sondern mehr vor dem Kontrollverlust.“ Und er ergänzte: „In so einer Situation können wir unser Leben nicht mehr selber bestimmen. Auch wenn ich keine Angst vor dem Tod habe, bleibt irgendwo ein großes Unbehagen.“
Deshalb sein Rat: „Viele meinen, sie müssten ein tröstendes Wort geben. Dabei sind es aber meist nur Vertröstungen. Das deutsche Wort Trost kommt von Treue. Das heißt: Stehen bleiben bei diesem Menschen mit seiner Not und seiner Verzweiflung. Und es aushalten. Es nicht sofort zudecken mit verharmlosenden Worten wie ‚Es wird schon wieder gut…‘“
Als Dr. Schäfer mich nach dem Thema meines Beitrags für die Feierstunde anlässlich der Verleihung der Hospizpreise fragte, nannte ich spontan das Wort aus Psalm 18: „Du machst meine Finsternis hell!“ Psalmen sind keine frommen Floskeln, sondern erfahrenes und reflektiertes Leben. König David drückt all seine Not aus: „Mich umfingen die Fesseln des Todes, / mich erschreckten die Fluten des Verderbens. Die Bande der Unterwelt umstrickten mich, / über mich fielen die Schlingen des Todes. In meiner Not rief ich zum Herrn / und schrie zu meinem Gott.“ (Ps 18,5-7a). Dann aber wird ihm klar: „Aus seinem Heiligtum hörte er mein Rufen, / mein Hilfeschrei drang an sein Ohr“ (Ps 18,7b). Und deshalb bekennt König David: „Du machst meine Finsternis hell“ (Ps 18,29b).
Das Buch des Lebens, die Heilige Schrift, gerade auch das Alte Testament gibt Zeugnis von Gott, der sein Volk nicht verlässt, der verborgen gegenwärtig ist und der die Klage und Not der Menschen hört. Er nimmt nicht das Leid, den Schmerz und den Tod aus der Welt hinweg; aber er lässt die Menschen, die ihn anrufen, in dieser Not nicht allein. Durch SEINE Nähe gewinnen sie Stärke, so dass sie zu tragen vermögen, was sie zu tragen haben, und daher sogar Grenzen überschreiten oder letzte Grenzen in Frieden annehmen können, wie ich es bei dem Mann damals aus meiner Gemeinde und bei der Caritasmitarbeiterin erleben konnte.
Die Bischöfe schreiben in ihrer schon zitierten Schrift: „Diese Zusage nimmt nicht die Angst vor dem Sterben und vor dem Tod, auch erspart sie uns nicht das Durchleben der Phasen des Sterbens. Aber sie ist für uns eine Ermutigung, uns auf das Sterben in all seinen Phasen einzulassen“.
Dabei geht es um das Mitgehen mit dem Sterbenden auf seinem ganz persönlichen Lebens- und vielleicht auch Glaubensweg. Es ist also ein zutiefst persönliches Geschehen zwischen dem Sterbenden und den Begleitenden. Wenn der Sterbende in diesem Kontakt Zuversicht gewinnt im Sinne von „Du machst meine Finsternis hell“, erfährt er durch die Begleitung Gottes Nähe. Dann können die Fragen zum Sinn des Lebens und des „Woher und Wohin“ betrachtet werden und die Deutung des eigenen Lebens wird möglich.
Die Zuwendung und Begleitung, durch die die Nähe Gottes vermittelt wird, kann sich in verbaler und/oder nonverbaler Kommunikation ereignen. Ob Gott ausdrücklich zur Sprache kommt, ein Gebet gesprochen, der Glaube sakramental gefeiert wird oder ob die Nähe Gottes nur in der Grundhaltung der Begleitperson präsent ist, wird von der persönlichen Einstellung des Sterbenden und derer, die ihm beistehen, mitbestimmt. Auf jeden Fall werden durch diese sehr persönliche Zuwendung das Leben und unsere Gesellschaft menschlicher. Entscheidend wichtig ist deshalb auch die innere Haltung und Zuversicht der Begleitenden, ob sie selber immer wieder erleben dürfen: „Du machst meine Finsternis hell!“
Meine Erfahrung, die ich exemplarisch an den vier Erlebnissen anzudeuten versucht habe, belegt, wie wichtig die persönliche Begleitung von Menschen auf dem Weg von Krankheit, Leid, Abschiednehmen, Loslassen und Sterben ist, die durch die Hospizbewegung gewährleistet wird. Deshalb möchte ich schließen, indem ich zusammenfassend nochmals Frater Karl von den Barmherzigen Brüdern in München zitiere, der über seine Arbeit im Hospiz schreibt: „Begleiten ist kein Tun, sondern ein Sein!“