Die Predigt im Wortlaut:
Das „Goldene Zeitalter beginnt jetzt“, verkündete der wiedergewählte amerikanische Präsident bei seiner Inauguration am vergangenen Montag, dem 20. Januar.
Um das „Goldene Zeitalter“ umgehend anbrechen zu lassen, hat er unmittelbar nach der Zeremonie eine Fülle von den Dekreten unterzeichnet und in Kraft gesetzt wie z.B.
- die Vollstreckung von Todesurteilen,
- den Ausstieg aus der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) und dem Pariser Klimaabkommen, das er als „Krebsgeschwür“ bezeichnete.
- Ölreserven sollen aufgefüllt und Energie aus den USA in alle Welt exportiert werden.
- Die Migration wird eingedämmt. Die Staatsbürgerschaft für in den USA geborene Kinder von Migranten will er abschaffen. Migranten, die sich in Schulen, Krankenhäusern und Kirchen aufhalten, dürfen festgenommen werden.
- Die Rechte von „Trans-Menschen“ sollen abgeschafft werden.
- Die etwa 1 500 Kapitol-Angreifer von 2021 bezeichnete er als „Geiseln“ und begnadigte sie.
- Mit Zöllen und Steuern auf Importe will er den Wohlstand der Amerikaner mehren.
- Auslandshilfen werden eingefroren.
- Der bestehende Erlass zur Sicherheit von KI-Systemen wird aufgehoben.
- Ein KI-Projekt mit dem Namen „Stargate“ soll mit „mindestens 500 Milliarden Dollar“ an den Start gehen.
- Der Golf von Mexiko soll künftig „Golf von Amerika“ heißen.
- Den Panamakanal will er zurückholen, an Grönland hat er größtes Interesse.
Dies sind erste Maßnahmen, um das „Goldene Zeitalter“ – wohlgemerkt – für sein Land herbeizuführen. Und bei seinem Vorgehen beruft sich der Präsident sogar auf Gott, der ihn beschützt habe.
Die kritischen Worte der anglikanischen Bischöfin Mariann Budde aus Washington, die sie bei der Zeremonie an ihn richtete, wurden verspottet. Sie sagte: „Diese mögen keine Staatsbürger sein ... Dennoch sind die allermeisten unter ihnen nicht kriminell. Sie zahlen Steuern, sind gute Nachbarn … Ich bitte Sie, … denjenigen zu helfen, die aus Kriegsgebieten oder vor Verfolgung fliehen. Gott lehrt uns, Erbarmen zu haben mit Fremden.“
Damit sind wir beim Evangelium des heutigen Sonntags. Es ist der Auftakt zu einer großen, hoffnungsvollen Botschaft für die ganze Welt. Lukas macht klar, welche Absicht er mit dem von ihm verfassten Evangelium verfolgt, nämlich das Leben und Wirken Jesu zu beschreiben und dadurch Gottes Handeln am Menschen aufzuzeigen. Und Lukas macht deutlich, dass Jesus uns anleitet zu einem gelingenden Leben. Dazu, so berichtet der Evangelist, verkündet Jesus sein, wie ich es nennen möchte, „Fünf-Punkte-Programm“:
- Jesus will den Armen eine frohe Botschaft verkünden. Er will die Menschen nicht verurteilen oder richten, sondern ihr Herz berühren. Die Worte Jesu wecken Leben und schaffen Vertrauen und nicht Angst.
- Er will den Gefangenen Entlassung verkünden. Das griechische Wort an dieser Stelle im Urtext meint Kriegsgefangene. Jesus verkündet das Ende aller Kriege. Wo er auftritt, soll Friede aufkommen. Jesus will nicht, dass die Menschen gegeneinander kämpfen.
- Jesus will – drittens – den Blinden wieder die Augen öffnen. Sie sollen aufschauen und nicht nach unten blicken oder ihre Augen vor der Wahrheit verschließen. Für Jesus ist es entscheidend, sich selbst, den Mitmenschen und Gott richtig zu sehen.
- Der vierte Programmpunkt: Jesus will die Zerbrochenen, Menschen, die niedergeschlagen, zerrieben, enttäuscht, entkräftet, hoffnungslos sind, aufrichten. Das griechische Wort „aphesis“ bedeutet sowohl Gefangene und Sklaven als auch Schuldbeladene und ebenso von Leid bedrückte, Kranke.
- Jesus wendet sich ganz bewusst an die Menschen, die unter der Last ihres Lebens leiden, die erdrückt sind von den Erwartungen um sie herum, die zerrieben werden durch die Konflikte in ihrer Nähe, aber auch durch die Konflikte in ihnen selbst.
- Der fünfte Programmpunkt: Jesus ruft ein Gnadenjahr aus, er will uns freimachen. Wir sollen uns selbst und einander vergeben, weil Gott uns alle Schuld erlassen hat. Wir sollen unser Leben nicht total verzwecken, nicht jeden Augenblick optimal ausnutzen müssen, um Höchstleistung zu erzielen.
Jesus rundet dieses „Fünf-Punkte-Programm“ mit nur einem Satz ab: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ Er meint damit: Heute, wenn wir diese Worte hören, geschieht an uns, was damals in der Begegnung mit Jesus geschehen ist. Heute will das Heil Gottes durch Jesu Wort und Sakrament uns durchdringen und verwandeln.
Der ganze Bericht vom Leben Jesu wird zum Evangelium, zu einer guten und wichtigen Botschaft. Selbst die schlimmen Ereignisse, wie die Ablehnung Jesu durch die Volksmenge oder die Kreuzigung werden letztlich so berichtet, dass die Hörer und Leser daraus erkennen können: Der Weg mit Jesus führt zum Leben.
Es geht Jesus um die Grundhaltung, aus der heraus Menschen das Leben mit all seiner Last angehen und hilfreich miteinander umgehen können. Es geht um die tiefe Verbindung zu Gott, die Menschen trägt und durch die den Menschen Vertrauen ins Leben zuwächst. Daraus erwächst eine lebenswerte, friedvolle Zukunft. Damit kommt das „Goldene Zeitalter“ für alle Menschen.
Die schrecklichen Ereignisse wie am vergangenen Mittwoch in Aschaffenburg oder in Magdeburg vier Tage vor Weihnachten oder in Solingen am 23. August des vergangenen Jahres oder am Barbarossaplatz in Würzburg am 25. Juni 2021 oder der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 und viele andere tödliche Attentate, ebenso wie auch die vielen Amokläufe, die uns häufig – etwa aus den USA – berichtet werden, sie alle machen eines deutlich: Wir sind weit weg von einem „Goldenen Zeitalter“. Solange nur eigene, insbesondere wirtschaftliche Interessen im Blick sind, und nicht das Wohlergehen aller Menschen, bleibt die Welt in Unruhe, werden Menschen vor Krieg und Terror fliehen oder anderswo ein besseres Leben suchen. Es wird immer wieder Aussichtslosigkeiten, es wird immer wieder Neid, es wird immer wieder Hass, es wird immer wieder Gewalttaten geben.
Während am vergangenen Montag in Washington das „Goldene Zeitalter“ für die USA angekündigt wurde, ermutigte Papst Franziskus in Rom Priesteramtskandidaten aus seiner Heimat Argentinien ihre Beziehungen zu Gott und zu den Menschen am Rande der Gesellschaft zu vertiefen. „Wenn ihr Almosen gebt, schaut den Menschen in die Augen und berührt ihre Hände. Das Almosen ist weniger wichtig als die Beziehung zum Armen.“
Nicht nur für Priesteramtskandidaten, sondern für alle Christen geht es gerade jetzt in den unruhigen Zeiten, die wir erleben und in denen wir leben, um eine Besinnung auf das Vermächtnis Jesu. Denn es ist uns aufgetragen, Zeugnis für IHN zu geben und mitzuwirken am Aufbau einer menschenwürdigen und gerechten Welt, in der die Menschen hoffnungsvoll leben. Dazu braucht es eine diakonische Kirche, schrieb vor wenigen Tagen der Theologe Ludger Verst.
Deshalb gehört es zu unserer Sendung als Christen, bei so schrecklichen Ereignissen wie zuletzt in Aschaffenburg bei und unter den Menschen zu sein. Das geschah in den vergangenen Tagen etwa durch die Präsenz von Seelsorgerinnen und Seelsorgern in der Parkanlage. Dort konnten Menschen über ihre Ohnmacht, ihre Ängste, aber auch über ihre Trauer und Wut sprechen. Das geschieht auch durch die Trauerfeier, die jetzt zeitgleich zu unserem Gottesdienst in der Stiftskirche in Aschaffenburg gefeiert wird.
Zu unserer Sendung als Christen gehört es auch, in der öffentlichen Diskussion darauf hinzuwirken, dass den Problemen, die zu solchen Ereignissen führen, und die sich im Umgang damit ergeben, nicht allein mit strengeren und konsequenteren Regulierungen begegnet wird, sondern auch mit Menschlichkeit. Was auch immer Menschen bewegt hat, ihre Heimat zu verlassen und vielleicht auch ihre Rückkehr erforderlich macht, sie brauchen eine Perspektive.
Es kann nicht von einem „Goldenen Zeitalter“ gesprochen werden, wenn ein Teil der Menschen in Not lebt und andere das Glück haben, in einer Umgebung zu leben, die von Wohlstand und vielen Möglichkeiten geprägt ist.
Ich erachte es wie einen Wink des Himmels, dass die Vereidigung des Präsidenten am vergangenen Montag stattfand. Alljährlich wird nämlich in Amerika am dritten Montag im Januar der „Martin Luther King Day“ begangen. Er hat einmal gesagt: „Es gibt keinen Frieden, wenn nicht der Weg schon Friede ist!“ Genau das ist das Problem der Menschen zu allen Zeiten, sie wollen nicht wahrhaben: Es kann nur Frieden geben, wenn schon der Weg, die Mittel hierfür friedvoll und gerecht sind. Das gilt für die Weltpolitik genauso wie für den persönlich, privaten Bereich. Frieden oder Konflikte beginnen in der Familie, beim Fernsehprogramm, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der kleinen, wie auch in der großen Politik, wo immer Menschen zusammenleben.
Wer würde sich nicht ein „Goldenes Zeitalter“ wünschen, wo alle Menschen in Gerechtigkeit, Frieden und Zufriedenheit leben! Den Weg dazu erkenne ich allerdings nicht in den markigen Worten, die am vergangenen Montag im Kapitol in Washington ausgerufen wurden, sondern in der Botschaft Jesu, die der Evangelist Lukas damals den Christen seiner Gemeinde und heute uns verkündet hat. „Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ Darin liegt der Beginn eines „Goldenen Zeitalters“ für alle Menschen.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Text zur Besinnung
Er kam und säte ein
seine unbezwingbare Hoffnung
Er kam nicht zu richten
sondern aufzurichten
Wo er war
begannen Menschen freier zu atmen
Blinden gingen die Augen auf
Gedemütigte wagten es zum Himmel aufzuschauen
und Gott
ihren Vater zu nennen
Er rief sie alle ins Leben
Er stand dafür ein
dass keiner umsonst gelebt
keiner vergebens gerufen hat
dass keiner verschwindet namenlos
im Nirgends und Nie
dass der letzte noch
heimkehren kann als Sohn
Er wurde eine gute Nachricht
im ganzen Land ein Gebet
ein Weg den man gehen
ein Licht
das man in Händen halten kann
gegen das Dunkel
Ein Wort das sich verschenkt
das sich dahingibt wehrlos
in den tausendstimmigen Tod
an dem wir alle sterben
Ein Wort
dem kein Tod gewachsen ist
das aufersteht und ins Leben ruft
unwiderstehlich
wahrhaftig dieser war Gottes Sohn
(Lothar Zenetti)