Die Predigt im Wortlaut:
Für Miltenberg und die Miltenberger ist es nach wie vor das „Institut“ und das mit gutem Grund, denn unser Haus „Maria Regina“ macht mit seiner bemerkenswerten Geschichte deutlich, wie sehr wir als Kirche dem Leben der Menschen und ihrem Zusammenleben dienen. 122 Jahre haben die „Armen Schulwestern“ in der Stadt Bildungsarbeit – hier insbesondere für Mädchen und junge Frauen – betrieben und damit Zukunft vorbereitet bzw. sogar gestaltet. Von 1880 bis 1973 also 93 Jahre in dem sogenannten „Institut“.
Das ethymologische Wörterbuch verbindet mit der Bezeichnung „Institut“ die Begriffe „Einrichtung, Sitte, Brauch, Unternehmen, Vorhaben“, ebenso bedeutet das Verb „instituere“: „unternehmen, einrichten, errichten, ordnen“. Diese Bedeutung verbinden wir mit der Arbeit einer Schule, die Menschen bilden, ihr Leben aber auch ordnen will.
Die Geschichte des Instituts zeigt weitere wichtige Aspekte. Nachdem der Schulbetrieb 1941 von den Nazis eingestellt worden war, wurde die Einrichtung als Lazarett genutzt. Ab 1947 war sie wieder Schule. Die Bildungsarbeit befähigte und förderte junge Menschen, ihre Begabungen zu entfalten. Zugleich ging es immer auch um Herzensbildung im Geiste Jesu. Dazu war die räumlich enge Verbindung mit der Kapelle als dem zentralen Ort des gesamten „Instituts“ sehr wichtig. Umso verwunderlicher, dass im Jahr 1950 die Bitte des Stadtpfarrers um eine bischöfliche Konsekration des Altars vom damaligen Generalvikar abgelehnt wurde, weil die Kapelle selbst nicht konsekriert sei. Dennoch bewirkte das „Institut“ viel Gutes und hat das Zusammenleben der Menschen in Miltenberg geprägt und gerade in den Nachkriegsjahren Vertrauen und Zuversicht gestärkt.
Über einer Schule steht bekanntermaßen der Anspruch, wie es das lateinische Sprichwort formuliert: „Non scholae, sed vitae discimus!“, also „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!“ Das war der eigentliche Erfolg der Bildungsarbeit der Schwestern, junge Menschen fürs Leben zu prägen und aufs Leben vorzubereiten.
Als 1973 die Armen Schulwestern nach 122 Jahren ihres Wirkens in Miltenberg und nach 93 Jahren im sogenannten Institut die Stadt verließen, wurde an diesem Platz die Weichen in Richtung Sorge um Menschen im Alter gestellt.
Seit dem 14. Jahrhundert gab es in Miltenberg ein Pfründnerhaus für alte, gebrechliche, hilfs- und pflegebedürftige Menschen. 1946 wurde in der Schifferschule vorübergehend ein Caritas Altenheim besonders für die vielen Heimatvertriebenen eingerichtet. Dennoch fehlte in Miltenberg ein Altenheim.
Nach dem Weggang der Armen Schulschwestern im Juli 1973 hat der Diözesan-Caritasverband das sogenannte „Institut“ erworben. Somit konnte endlich der Bau einer Einrichtung für Alte und Pflegebedürftige in Angriff genommen werden.
Seit 1973 verbindet sich daher mit dem „Institut“ nun die Sorge um alte, hilfs- und pflegebedürftige Menschen und damit die generationenübergreifende Solidarität, die eine Gesellschaft erst lebenswert macht. Das „Institut“ steht mitten in der Stadt, nicht an der Peripherie. Mitten im sogenannten Sozialraum erinnert Maria Regina mit seinen Angeboten und Diensten, dass die Menschen auch im Alter ihren Platz inmitten der Gesellschaft haben und es wert sind, dass wir uns als Gesellschaft um sie annehmen.
Zusammen mit den caritativen Diensten und sozialen Angeboten des Kreis-Caritasverbandes im ehemaligen Franziskanerkloster bildet die Hauptstraße somit gleichsam eine soziale Ader, die die Stadt Miltenberg und das Zusammenleben der Menschen lebenswert macht. Eine Kommune braucht nicht nur ein technisch moderne Infrastruktur mit gepflegten Straßen, funktionierender Wasser- und Energieversorgung, Kanalisation, leistungsstarkem Breitbandkabel usw., viel wichtiger ist die soziale Infrastruktur.
In einer Epoche nachlassender Solidarität in der Gesellschaft, in der sozialer Dienst mehr und mehr durch die ökonomische Brille betrachtet wird, in der der Bau von Kindergärten als Störfaktor erachtet und Altenheime geschlossen werden, weil sie nicht mehr genügend Gewinn abwerfen, in einer Epoche, in der in den Medien diskutiert wird, ob es heute noch zu verantworten ist, Kinder zur Welt zu bringen, in der aber auch alte, geschwächte Menschen unsicher werden und sich fragen, welche Würde und welcher menschliche Wert ihnen noch zugebilligt wird, genau jetzt ist es unverzichtbar, dass wir als Kirche mit ihrer Caritas uns für das Leben engagieren. Wir tun dies in der Betreuung junger Menschen, wie das im sogenannten „Institut“ über Generationen hinweg erfolgte. Wir tun die unter anderem auch, indem wir betagten Menschen Sympathie, Wertschätzung und Unterstützung entgegenbringen.
50 Jahre Maria Regina ist somit eine Chance, in der Mitte der Stadt die Sorge um das Leben deutlich zu machen. Maria Regina und seine Geschichte sind wie ein Institut, dessen Botschaft lautet: „Wir dienen dem Leben in jedem Alter!“
Die Stärke dieses kirchlich verantworteten Instituts ist die berufliche und ehrenamtliche Vernetzung oder – wenn Sie so wollen – Ergänzung, die eine hohe fachliche und menschliche Qualität in der Zuwendung und Betreuung bietet. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zum Lebenswert und zur Liebenswürdigkeit der Stadt. Es geht also um mehr als „nur“ das Betreuungs- und Pflegeangebot. Es geht um die Ermutigung zum Leben. Es geht um die Zuversicht, die in den Menschen bestärkt wird. Es geht um das Miteinander.
Deswegen möchte ich noch auf die biblische Botschaft dieses zwölften Sonntags im Jahreskreis verweisen: Jesus spürt die Unsicherheit und die Ängste der Menschen. Sie fragen sich, was ihrem Leben Wert und Würde gibt, was ihnen Orientierung und Halt schenkt. Jesus will ihr Vertrauen in Gott stärken und ruft ihnen deshalb dreimal zu: „Fürchtet euch nicht!“
Diese Zusage bleibt nach wie vor wichtig und ist gerade heute für uns Menschen äußerst wichtig!
- Ob da junge Paare sind, die sich fragen: „Darf man in heutiger Zeit noch Kinder zeugen?“
- Ob das Schüler sind, die sagen: „Schaffe ich den Schulabschluss?“
- Ob das Ehepaare sind, die verunsichert sind: „Kann ich mich auf meinen Partner/meine Partnerin verlassen?“
- Ob das die Menschen im Arbeitsleben sind, die sich sorgen: „Werde auch ich meinen Arbeitsplatz behalten?“
- Ob sich Umweltschützer fürchten: „Kommt es zu einer Klimakatastrophe?“
- Ob kranke und ältere Menschen bangen: „Werden mich meine Angehörigen pflegen?“
Das sind einige der vielen Fragen, die die Menschen heute quälen.
Jesus spielt die Nöte der Menschen nicht herunter; sie sind und bleiben eine Wirklichkeit. Umso mehr kommt es auf das Gottvertrauen an, auf das Vertrauen in die Zusage Jesu: „Fürchtet euch nicht!“
Das hat z.B. Dietrich Bonhoeffer gespürt, als er im KZ saß und dem Vollzug des Todesurteils gegen sich entgegensah. In der Gewissheit, dass Gott ihn hält, schrieb er damals den Text, den wir so gerne als Lied singen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen ...“
- Wenn Menschen uns fallen lassen,
- wenn uns vielleicht sogar das Lebensrecht abgesprochen wird,
- wenn die Lebensfreude verlorengegangen scheint,
- wenn uns Einsamkeit quält,
gerade dann kommt es darauf an, dass wir uns an das Wort Jesu erinnern. „Fürchtet euch nicht vor den Menschen ...“, denn Gott wird zu uns halten. Dafür steht Jesus ein.
Diese Botschaft wird seit über 170 Jahren in diesem Institut und durch dieses Institut bezeugt, zunächst gegenüber jungen Menschen und heute in der Sorge um alte Menschen. Das Jubiläum, das wir heute begehen, gibt uns Gelegenheit, unseren Dank zum Ausdruck zu bringen, und es erinnert uns, dass wir heute dafür einstehen, dass Leben im Vertrauen auf Gott gut wird.
Die entscheidende Botschaft dieses so wichtigen Hauses, das das Leben der Menschen nach wie vor prägt und deshalb für Miltenberg das „Institut“ bleibt, lautet: „Fürchtet euch nicht ...!“
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Text zur Besinnung
Zur Einweihung des umgebauten und erweiterten Hauses
MARIA REGINA am 24. MÄRZ 2003
formulierte Bischof Paul-Werner folgendes Gebet:
Himmlischer Vater, allmächtiger, ewiger Gott.
Du hast die Menschen zum Heil berufen
und willst ihnen nahe sein:
Segne + das Haus Maria Regine und erfülle es mit deinem Geist.
Lass den Bewohnern des Hauses die Jahre des Alterns
zu einer Zeit der Gnade und des Heiles werden.
Gib ihnen Weisheit und Verständnis für andere,
Zufriedenheit und Herzensgüte.
Schenke ihnen die Begegnung mit guten Menschen;
bewahre sie vor Einsamkeit und tröste und stärke sie
in den Gebrachen des Alters,
Führe und alle ans Ziel unseres Lebens
und lass uns die Vollendung in der Himmlischen Wohnung
zusammen mit der Gottesmutter Maria
und allen Heiligen schauen.
Durch Christus, unserem Herrn,
Amen