Mucksmäuschenstill war es im Raum, als Florian Fell, Mitarbeiter Prävention im DiCV, den anonymisierten Erfahrungsbericht eines Erziehers aus einer Kindertageseinrichtung (Kita) vorlas. Darin schilderte der Mann seine Leidensgeschichte, wie er voller Tatendrang seine Stelle in einer Kita angetreten hatte, er aber schnell feststellen musste, dass er als Mann im Umgang mit Kleinkindern einen schweren Stand hat. Eltern, die ihm ihr Kind zum Wickeln nicht anvertrauten oder komische Blicke im eigentlich alltäglichen Umgang mit den Kindern, machten es ihm nicht leicht. „Zwischen Gewinn und Generalverdacht“ lautete deshalb auch die Überschrift des Fachtages, zu dem das Team der Stabstelle Prävention und Interventionskoordination rund um Stefanie Eisenhuth am 12. November 2024 in das Würzburger Burkardushaus geladen hatte. Da ein Generalverdacht immer auch das ganze Team betreffe und nicht nur einzelne Mitarbeitende belaste, freute sich Eisenhuth sehr über das große Interesse an diesem Fachtag.
Tradierte Rollenbilder
„Wir wissen, dass männliches Fachpersonal in Kitas oft nicht nur mit alltäglichen Herausforderungen konfrontiert sind, sondern auch mit einem Generalverdacht, der auf tradierten Rollenbildern und unbegründetem Misstrauen basiert“, erklärte Stefanie Eisenhuth zu Beginn des Tages den männlichen Mitarbeitenden sowie der großen Anzahl an Leiterinnen und Leitern, die der Einladung des DiCV gefolgt waren. „Dieses Misstrauen, das teilweise unterschwellig mitschwingt, stellt nicht nur Ihre Arbeit, sondern Ihre Integrität in Frage“, so die Präventionsbeauftragte weiter. Vermeidungsstrategien von bestimmten Tätigkeiten seien oft die Folge. Dies könne aber nicht die Lösung sein, denn es sei klar, dass die Männer als ausgebildetes Fachpersonal nicht durchgängig zwei Rollen einnehmen könnten. Der Fachtag solle deshalb dazu dienen, in den Austausch zu diesem Thema zu kommen und gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln.
Auch Michael Deckert, Referent Katholische Kitas und Kinderhilfe im Diözesan-Caritasverband, war der Einladung ins Würzburger Burkardushaus gefolgt. Er dankte Stefanie Eisenhuth und ihrem Team, dass sie dieses wichtige Thema im Blick haben. „Als ich vor vielen Jahren in unserem Berufsbereich startete, war ich ein echter Exot“, sagte Deckert in einem kurzen Grußwort. Obwohl der Anteil der männlichen Beschäftigten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland mit 7,9 Prozent nach wie vor gering ist, freue er sich, dass Männer in Kindertageseinrichtungen mittlerweile „ganz normal“ seien und sie und ihre Anliegen mit diesem Fachtag in einer sonst von Frauen dominierten Branche einmal in den Mittelpunkt rücken.
Ergebnisse der Onlineumfrage
Wie wichtig es ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, bestätigt auch eine Online-Umfrage unter männlichen Mitarbeitenden in Kindertageseinrichtungen, die das Team um Eisenhuth, im Juni 2024 angestoßen und durchgeführt hatte. Die Auswertung dieser Umfrage ergab unter anderem, dass 72 Prozent der männlichen Kita-Mitarbeiter, die sich an der Umfrage beteiligt hatten, bereits persönliche Vermeidungsstrategien entwickelt haben, um bestimmten Situationen in ihrem beruflichen Umgang mit Kindern aus dem Weg zu gehen und sich damit selbst zu schützen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer stellt laut Umfrage außerdem einen geschlechtsspezifischen Umgang in den Einrichtungen mit dem jeweiligen Personal fest. Die Auswertung zeige, dass das Thema hochaktuell ist und daran gearbeitet werden müsse, so Eisenhuth.
Dann ging es an die inhaltliche Arbeit. Der selbstständige Coach und Supervisor Andreas Waldenmeier stellte den Anwesenden nach einer Gruppenarbeit verschiedene Handlungsstrategien vor, wie männliches Fachpersonal in Kitas auftreten soll und vom übrigen Team sowie Träger- und Elternschaft unterstützen werden kann. So sei es wichtig, transparente Strukturen im Team und der Einrichtung zu haben, die allen bekannt und von allen berücksichtigt werden. Zudem sollte männlichen Mitarbeitern die Sicherheit vermittelt werden, dass sich Team und Träger bei einem unbegründeten Vorwurf schützend vor sie stellen. Wichtig in der täglichen Arbeit in der Kita seien daher die Faktoren transparente Strukturen, Sicherheit, Partizipation und Arbeitszufriedenheit, so der ausgebildete Supervisor. Gleichzeitig sollte den Eltern vermittelt werden, dass durch transparente Strukturen größtmöglicher Schutz ihrer Kinder gegeben ist.
Gruppenarbeit und Resümee
Nach der Mittagspause teilte sich die Gruppe anhand ihrer Tätigkeitsfelder in drei Untergruppen, die jeweils von den Referenten und Supervisoren Andreas Laurien (Psychologe und Leiter der Ehe-, Partnerschafts-, Familien-, Lebensberatung der Erzdiözese Bamberg), Anna Stankiewicz (Diözesanbeauftragte für Supervision und Coaching im Bistum Würzburg) und Andreas Waldenmeier begleitet wurden. So nutzten die männlichen Mitarbeitenden den Nachmittag, um zu netzwerken und sich über ihre Arbeit und Handlungsstrategien auszutauschen. Die beiden anderen Gruppen, unterteilt in männliche und weibliche Leitungen, sprachen in ihren Gruppen im geschützten Raum unter anderem darüber, wie sie die Situation in ihren Einrichtungen wahrnehmen, wie sie ihre Mitarbeitenden stärken und unterstützen können und welche Probleme bedingt durch die tradierten Rollenbildern im Elementarbereich von Männern nach wie vor in unserer Gesellschaft vorherrschen.
Die Ergebnisse aus den Gruppenarbeiten trugen anschließend Laurien, Stankiewicz und Waldenmeier stellvertretend vor. Dabei wurde deutlich, dass vielen Leitungen kaum bewusst war, mit welchen zusätzlichen Herausforderungen männliche Mitarbeiter während ihres Berufsalltags konfrontiert seien. Man wolle gemeinsam noch mehr daran arbeiten, dass sich männliche Mitarbeitende wohl- und unterstützt fühlen.
Gewinnbringender Fachtag
„Vielen Dank, dass Sie sich auf den heutigen Fachtag eingelassen und damit gezeigt haben, wie wichtig das Thema ist“, sagte Stefanie Eisenhuth zum Abschluss eines gewinnbringenden Fachtages. Auch wenn das Thema zu komplex sei, um eine einfache Lösung am Ende des Tages präsentieren zu können, seien alle auf den richtigen Weg.
Theresa Hepp