Die Predigt im Wortlaut:
„Geht zu Josef“, so lautet der Titel des Buches mit der Betrachtung eines zwanzigteiligen Bilderzyklus‘ aus dem 17. Jahrhundert, also der Barockzeit, über den hl. Josef. Der Bilderzyklus findet sich in der Zisterzienserabtei Lilienfeld in Niederösterreich. Die Betrachtungen geschrieben hat mein Freund, der jahrelange Abt der Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht in Tirol, Anselm Zeller, der heuer an Maria Himmelfahrt verstorben ist.
„Geht zu Josef“ – spontan musste ich an meinen Mitbruder Josef Treutlein denken, dem wir heute aufrichtig danken für seine seelsorglichen Dienste in über 47 Jahren in unserer Diözese und insbesondere in den zurückliegenden neun Jahren hier am Käppele.
„Geht zu Josef“! – Dass heute so viele Freunde, Weggefährten und insbesondere dankbare Menschen zum Käppele heraufgekommen sind, um diesen Dankgottesdienst mitzufeiern, ist in dieser Stunde der beste Beweis, dass unzählige Menschen im Laufe der Jahrzehnte genau das gemacht haben: „Geht zu Josef“!
Viele Menschen nicht nur in unserer Diözese verbinden mit dem Namen Josef Treutlein den „Fränkischen Marienweg“. Das ist vollkommen richtig, hat aber seinen tiefen Grund: Josef ist in einer Familie und in einer Pfarrei aufgewachsen, wo das Anliegen von Wallfahrten stark beherzigt wurde. Seine Heimat Bad Königshofen mit der Wallfahrtskirche „Maria Geburt“ im Ortsteil Ipthausen, die Wallfahrt – nicht nur als Ausflug nach seiner Erstkommunion – in das ungefähr siebzig Kilometer entfernte Vierzehnheiligen, sowie die alljährliche Wallfahrt mit der Familie nach Altötting, haben ihn geprägt. Von Klein auf hat er Wallfahrer gesehen. Sie kamen aus allen sozialen Schichten, mit unterschiedlichsten körperlichen Verfassungen, mit vielfältigen Anliegen – ob für sich selbst oder für andere nahe Menschen oder für die uns anvertraute Welt – und baten um Orientierung, Wegweisung, um Hilfe und Kraft.
Für Josef wurden Wallfahrten zum Symbol und zur Erfahrung von Mensch- und Christsein. Wir sind ein Leben lang unterwegs – hin zum eigentlichen Ziel unseres Lebens, der bleibenden Gemeinschaft mit Gott.
So wie für Josef viele Menschen Wegbegleiter waren und zu Wegbereitern geworden sind auf all seinen Lebensstationen – angefangen von seinen Eltern und den ihn durch ihr Vorbild prägenden Priestern bis zum heutigen Tag wie z.B. Frau Ulrike Shanel und viele andere –, so ist er in seinem nun schon bald fünf Jahrzehnte währenden Dienst als Seelsorger zum Wegbegleiter und Wegbereiter für unzählige Menschen geworden. „Geht zu Josef“, ob er nun von seiner Heimatgemeinde Bad Königshofen aus zur Männerwallfahrt nach Vierzehnheiligen einlud oder von seinen priesterlichen Wirkungsstätten aus zu verschiedenen Wallfahrtsorten aufbrach, immer ging es darum, Menschen zu begleiten, damit sie sich vergewissern konnten: Ich bin nicht allein, Gott ist mit mir und stellt mir gute Weggefährten an die Seite.
Nicht nur der Blick für andere Menschen und das Auf und Ab ihrer Lebenswege ist Josef zur Aufgabe geworden, er selbst hat durch die Erfahrung eigener Grenzen bei einer schwerwiegenden Erkrankung im Jahr 2000 zum Gedanken des Fränkischen Marienwegs gefunden, der sich inzwischen auf rund zweitausend Kilometer durch Unter- und Oberfranken erstreckt. Dass Josef mit der Bereitschaft, als Seelsorger zum Käppele zu wechseln, genau an den Ort kam, wo die drei großen europäischen Wallfahrtswege zusammentreffen, nämlich der Jakobsweg, die Via Romea und der Marienweg, war gewiss eine Fügung des Himmels.
Damit wurde nicht nur der persönliche Weg von Josef bestätigt, sondern auch das theologische Fundament für seinen seelsorglichen Dienst. Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt in seiner Konstitution „Lumen Gentium“, zu Deutsch „Licht der Völker“, die „Kirche als wanderndes Volk Gottes“. Sie ist gerufen, den Weg Christi, den Weg der Frohen Botschaft zu gehen. Papst Johannes Paul II. konkretisierte mit seinem Wort ihre Sendung in die Welt: „Der Weg der Kirche ist der Mensch …“ Das heißt, das, was die Menschen bewegt, wird für uns als Kirche zur Aufgabe. Deshalb beginnt die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums mit den Worten: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ – Das heißt also: Weggefährten sein! In dieser Haltung wurde Josef bestärkt durch die Spiritualität von Schönstatt, deren Gründer Pater Josef Kentenich sagte: „Sei, was du bist! … Erst Mensch, dann Christ, dann ganzer Mensch.“
Um den Rat- und Orientierungssuchenden ein guter Wegbegleiter zu sein, ist für Josef der seelsorgliche Dienst nichts Abgehobenes oder frommes Beiwerk. Er hat immer den ganzen Menschen im Blick, auch die Last, die mancher mit sich schleppt. Deswegen hat er stets die Bedeutung des Bußsakramentes deutlich gemacht und zur – wie die Franzosen sagen – „révision de vie“, zur Reflexion des eigenen Lebens, ermutigt. Daraus sollte immer neu Freude am Leben erwachsen. Dazu bestärkte er die Gläubigen in unzähligen Mai- und Rosenkranzandachten, ebenso wie in den vielen von ihm gestalteten gottesdienstlichen und liturgischen Feiern zu den unterschiedlichen Lebensereignissen. Seine Erfahrungen gab und gibt er weiter z.B. durch neun pastoralliturgische Werkbücher oder Wallfahrtsführerschulungen.
„Geht zu Josef“ – immer wieder taucht das für mich im Motiv seines Lebens und Wirkens auf. Das klingt auch an in den biblischen Texten dieses 29. Sonntags im Jahreskreis. Aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich hörten wir den Dank des Apostels für den Glauben der Menschen, denen er die Frohe Botschaft verkündete: „… unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Mühe eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn.“
Die Frohe Botschaft Jesu will uns Anleitung zu einem guten, gerechten und menschenwürdigen Leben sein. Deshalb gibt der Evangelist Matthäus das Wort Jesu von der Steuermünze an seine Gemeinde weiter, weil es für ihr Leben als Christen in der Welt wichtig ist. Zeitgeschichtlich geht es um die Kopfsteuer, die jeder Bewohner des Römischen Reiches zu bezahlen hatte, und um die Münze, die den Kaiser in göttlicher Würde abbildet. Wer die Münze besitzt und benutzt, der anerkennt die betreffende Regierung und die Wirtschaftsordnung.
Jesus, der die Münze nicht besitzt, spricht sich zwar nicht gegen das Steuerzahlen aus, aber er macht klar, dass es viel wichtiger ist, dem Anspruch Gottes zu folgen. Er möchte, dass im Wirken und Handeln der Menschen das Reich Gottes zum Durchbruch kommt.
Es geht um die große Vision von einer geschwisterlichen Welt, in der die Menschen Verantwortung füreinander wahrnehmen und daran mitwirken, ein solidarisches und hoffnungsvolles und damit lebenswertes Miteinander zu gestalten.
Deshalb muss sich die Kirche in unseren Tagen – gerade in unserem Land, wo ihr aktuell das Geld massiv wegbricht – darüber klar werden, was ihre Sendung und ihr Auftrag sind. Von daher gilt es, Prioritäten zu setzen, wie sie am wirkungsvollsten die Botschaft Jesu in Wort UND Tat bezeugen kann. Meines Erachtens ist es jetzt die Stunde der Kirche, klare Akzente zu setzen, wie wir glaubwürdig „Christen unter den Menschen und Kirche für die Menschen sein“ können.
Das Zeugnis für den Gott des Lebens geben wir mit der Feier des Glaubens und dem konkreten pastoralen sowie sozial-caritativen Dienst am Nächsten. Damit wehren wir dem Trend der zunehmenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Deshalb braucht es Orte wie das Käppele, das seit Jahrhunderten Menschen in all ihren Anliegen Zuflucht schenkt, ebenso wie sozial-caritative Einrichtungen und Dienste der Kirche für Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen.
Wallfahrten sind Wegstrecken der Orientierung und der steten Ausrichtung auf Gott hin. Soziale Dienste sind wie Bewährungsproben für die Glaubwürdigkeit unserer Sendung als Christen. Beides lässt sich nicht voneinander trennen und deshalb möchte ich heute ganz bewusst Dir, lieber Josef, Danke sagen für Deinen unermüdlichen Dienst und für alles, was Du auch an Widerständen ausgehalten und nicht locker gelassen hast, dass in all den Veränderungsprozessen in der Kirche nicht das Wesentliche verloren geht, nämlich der Dienst am Menschen insbesondere durch unsere Wegbegleitung.
Gott ist Schöpfer und Herr der Welt, und alles Leben auf dieser Erde soll nach seiner Wegweisung, nach seinen Geboten gestaltet werden. Gott wird sich um der Menschen willen nie aus dem Leben der Menschen und den Zuständigkeiten der Welt heraushalten, nicht aus der Politik, der Gesetzgebung, der Wirtschaft. Deshalb können und dürfen wir nicht im staatlichen Zusammenleben nach anderen Prinzipien handeln als im kirchlichen Bereich.
Der unvergessliche Hans-Jochen Vogel, der ein Leben lang in unterschiedlichsten Aufgaben in der politischen Verantwortung stand, wurde einmal in einem Interview gefragt: „Was ist in Ihren Augen ein praktizierender Katholik?“ Seine Antwort lautete: „Einer, der seinen Glauben ernst nimmt, der für sein Leben im Glauben Orientierungshilfe sucht und der mit Regelmäßigkeit am Sonntagsgottesdienst teilnimmt.“
Wer das mit innerster Überzeugung tut, der sucht stets nach Wegen für ein gerechtes und gutes, für ein von Hoffnung erfülltes Leben für alle.
„Geht zu Josef“, habe ich eingangs zitiert. Unzählige Menschen sind Deinen Einladungen und Angeboten nicht nur bei unzähligen Wallfahrten gefolgt und haben dabei Kraft und Zuversicht für sich geschöpft. Wenn Du Dich nun vom Käppele und aus Würzburg verabschiedest, dann möchte ich den Menschen in Deinem neuen Wirkungskreis im sogenannten Gottesgarten zwischen Vierzehnheiligen und Banz einen Rat zurufen: „Geht zu Josef“ und „Geht mit Josef“ und ihr werdet segensreiche Wege für Euer Leben finden!
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Zur Besinnung nach der Kommunion
Gib dem Kaiser,
was des Kaisers ist.
Gib dem Kaiser nicht,
was Gottes ist:
dein Herz.
Der Kaiser
deine Sicherheit
dein Erfolg
dein Geld
deine Geltung
dein Aussehen
dein Ansehen
Dein Herz
dein Vertrauen
deine Kraft
deine Aufmerksamkeit
deine Sehnsucht
deine Liebe
dein Leben
all das gib Gott
(Autor unbekannt)