Der Diözesan-Caritasverband blickt mit Sorge auf die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder während der Corona-Pandemie. Während Betroffene in den zurückliegenden Wochen der strengen Kontaktbeschränkungen deutlich seltener Kontakt zu den umfassenden Hilfsangeboten der Caritas in Unterfranken hatten, ist ein Anstieg der Fallzahlen schon jetzt abzusehen. Laut einer Studie der TU München hatten im häuslichen Umfeld über sechs Prozent der Kinder körperliche und fast vier Prozent der Frauen sexuelle Gewalt erfahren.
Nach einer Einschätzung der Expertinnen im Caritasverband werden diese Probleme auch in den Beratungsstellen und Einrichtungen der Caritas ankommen. „Da sich die Institutionen bisher noch nicht im normalen Betrieb befinden, ist das Problem noch nicht bei uns, wird aber allerorts mit großer Sorge definitiv erwartet“, sagt Sabrina Göpfert. Wie die Fachbereichsleiterin Jugend und Familie im Diözesan-Caritasverband erklärt, sei diese Sorge bereits seit Beginn der pandemiebedingten Beschränkungen groß gewesen.
Caritas geht aktiv auf Familien zu
Gerade zu Familien, die sich bereits vor der Corona-Krise in schwierigen Situationen befanden, hätten die Dienste der Caritas daher proaktiv den Kontakt gesucht, erklärt Göpfert weiter. So hatten „die Einrichtungen und Dienste weiterhin Kontakt zu ‚ihren‘ Familien gehalten“. Zudem sei das Angebot der telefonischen Beratung von Seiten der Hilfesuchenden sehr gut angenommen worden und auch die Onlineberatung sei stärker genutzt worden, so Göpfert.
Differenziert fällt die Zwischenbilanz bei den Fachdiensten und Beratungsstellen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) aus. „Grundsätzlich nehmen wir eine signifikant höhere Mitteilung von der Belastung in den partnerschaftlichen und familiären Beziehungen durch die Folgen der Pandemie wahr“, sagt etwa die Leiterin der Würzburger Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen, Anna Elisabeth Thieser. Ob jedoch auch die Zahl der häuslichen Übergriffe im Jahresvergleich höher liege, könnte derzeit noch nicht gesagt werden.
Ähnliches berichtet die Leiterin des Würzburger Frauenhauses, Franziska Boes. Die Einrichtung verzeichne derzeit zwar insgesamt weniger Kontaktanfragen, sei jedoch auf einen größeren Hilfsbedarf eingestellt. Als möglichen Grund für den Rückgang der Anfragen verweist sie auf die Beschränkungen während der Corona-Pandemie. Professionelle Hilfsdienste etwa, die sonst häufig den Kontakt zum Frauenhaus herstellten, hätten in der derzeitigen Situation selbst seltener Kontakt zu betroffenen Frauen. Darüber hinaus könnten zusätzliche Belastungen wie die ganztägige Betreuung von Kindern zu Hause die Zurückhaltung der Frauen noch verstärkt haben, so Boes. Neben groß angelegten Kampagnen zur Steigerung der Bekanntheit des Angebots arbeiten die Frauenhäuser derzeit auch am Ausbau der Online-Beratung.
Frauenberatungsstelle nimmt vermehrt Fälle häuslicher Gewalt wahr
Dass die Möglichkeit des digitalen Kontakts immer wichtiger werde, betont auch Claudia Widmann, die Leiterin der Frauenberatungsstelle des SkF. „Unsere offene Telefonsprechstunde während der Ausgangssperre wurde wenig genutzt“, konstatiert sie. Frauen, die sich in dieser Zeit an die Stelle gewandt hatten, hätten vielmehr auf vereinbarte Telefontermine gesetzt. In den Gesprächen hätten die Beraterinnen wiederum eine gestiegene Belastung der Frauen etwa durch die ganztägige Kinderbetreuung festgestellt. Auch von Fällen häuslicher Gewalt könne ihre Stelle berichten, so Widmann: „Seit letzter Woche kommen in der Frauenberatung neue Frauen an, die von psychischer Gewalt betroffen sind. In der Zeit der Ausgangssperre hatten Abwertung, Drohung, Kontrolle oder lautstarke Beschimpfung durch ihre Partner stark zugenommen.“
Damit kann Widmann auch von einem kleinen Hoffnungszeichen berichten: „Wir haben den Eindruck, seit sich die Ausgangssperre gelockert hat, machen diese Frauen sich auf den Weg, Unterstützung zu suchen.“ Der Sozialdienst katholischer Frauen und alle übrigen Anlaufstellen des Diözesan-Caritasverbands stehen bereit, Frauen, Kindern und Familien nach dieser Krise zu helfen.
Kilian Martin
Hier finden Sie eine Übersicht über die Hilfsangebote des SkF für Frauen und Familien.