POW: Herr Domkapitular Bieber, die Caritas ist nicht zum Flüchtlingsgipfel der Bundesregierung am Donnerstag, 16. Februar, eingeladen. Können Sie das verstehen?
Domkapitular Clemens Bieber: Kurz und knapp, ich verstehe es nicht. Ich hoffe, es ist ein Versehen, ein unachtsames Versäumnis, und dahinter verbirgt sich keine ideologische Haltung.
POW: Welche besondere Blickrichtung könnten Caritas und Diakonie einbringen?
Bieber: Beide großen christlichen Kirchen weisen eine umfangreiche Erfahrung und hohe Kompetenz in der Sorge für und Betreuung von Menschen mit Fluchterfahrung auf. Beide Kirchen verfügen über hoch motivierte qualifizierte berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie über ein riesiges Netz von Ehrenamtlichen. Hinzu kommt die Infrastruktur an zentralen wie auch den vielen kleineren lokalen kirchlichen Einrichtungen. Schließlich ist die Grundhaltung entscheidend, die Wertschätzung für den Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Religion. Wie hilfreich das in einer so großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung ist, war bei der großen Zuwanderung ab 2015 zu erleben.
POW: Was sind in der Betreuung von Geflüchteten aktuell und in naher Zukunft die großen Herausforderungen und wie geht die Caritas diese an?
Bieber: Zunächst gilt es, viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach der großen Zuwanderungswelle sich wieder zurückgezogen haben, wiederzugewinnen. Darüber hinaus ist wichtig, allen Menschen fürs erste ein sicheres Dach über dem Kopf zu bieten und möglichst bald auch Wohnungen zu vermitteln. Ebenso wichtig ist die direkte menschliche Zuwendung und Betreuung und Begleitung in den für die Menschen schwierigen Zeiten in einem fremden Land. Um den Menschen bestmöglich zu helfen, sich in einem fremden Land zurechtzufinden, braucht es für die verschiedenen Angebote die entsprechenden Rahmenbedingungen, die der Staat mit finanziellen Mitteln unterstützt. Wie in den vergangenen Jahren werden die Kirchen auch jetzt wieder Eigenmittel einbringen. Deswegen ist mir unverständlich, warum der Staat auf die Mitwirkung der Kirchen verzichten will.
Interview: Markus Hauck I POW