Weltweit nimmt sich alle vierzig Sekunden ein Mensch das Leben - d.h. mehr als eine Million pro Jahr; bundesweit sind es ca 12.000 pro Jahr, allein im Kreis Würzburg ca. sechzig. "Das sind mehr Menschen, als zusammen bei Verkehrsunfällen, durch Aids, Drogen oder Gewaltverbrechen ums Leben kommen", so Kai Tschanter, Leiter des ökumenischen Krisendienstes in Würzburg, im Rahmen eines Pressegesprächs am weltweiten Suizidpräventionstag am 10. September.
Zusammen mit der ökumenischen Würzburger Telefonseelsorge, dem Gesprächsladen und der Selbsthilfegruppe AGUS (Angehörige um Suizid) beteiligt sich der Krisendienst schon zum dritten Mal an diesem Aktionstag, den die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention ins Leben gerufen hat. Die Nachfrage nach diesen Diensten wächst beständig. Im vergangenen Jahr waren es 235 Klienten, die Rat und Hilfe beim Krisendienst suchen. Fast dreiviertel von ihnen melden sich nachts beim Notdienst. Suizid, so Taschanter, sei bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache. Täglich versuchen sich ca. vierzig Jugendliche in Deutschland das Leben zu nehmen. Dass diese Tatsache so wenig bekannt ist, liege einfach daran, dass nur wenig öffentlich darüber berichtet wird. Daran besteht in der Regel von Polizei- und vor allem Angehörigenseite kein Interesse, betonten Helga Menth und Dietlinde Marsch von der Selbsthilfegruppe AGUS. Beide sind Betroffene und haben enge Familienmitglieder durch Suizid verloren. Den beiden Gruppen, die sie leiten, gehören Geschwister, Eltern, Partner oder erwachsene Kinder von Suizidopfern an. Einige Dutzend Personen aus Würzburg und Umgebung kommen regelmäßig hier zusammen. Die einen bleiben monatelang dabei, andere hören nach wenigen Gesprächen auf. "In erster Line wollen sie reden, reden, reden. Sich immer wieder gegenseitig ihre Geschichte erzählen", so Menth.
Alle Dienste verstehen sich als niederschwellige Angebote. Ca. 15.000 anonyme Anrufe bekommt die Telefonseelsorge jedes Jahr, erläuterte ihre Leiterin Ruth Belzner. Die meisten sind Jugendliche, die Probleme mit dem Elternhaus, der Schule, mit Freund oder Freundin bewegt. Und meist hätten sie dafür keine anderen Gespächspartner als die Telefonseelsorge. Ca. 2.300 Menschen suchen jedes Jahr den Gesprächsladen am Dominikanerplatz auf. Wie der Krisendienst oder die Selbsthilfegruppe ARGUS könne man hier ohne Krankenschein oder Überweisung kommen. Wie man einen suizidgefährdeten Menschen erkennt? Auf diese Frage haben auch die Fachleute kein Patentrezept. Doch viele Selbsttötungen würden angekündigt. Wer will mich denn schon, mich mag doch keiner, mich vermisst doch keiner, es hat doch alles keinen Sinn, bring beim nächsten mal einen Strick mit. Solche Äußerungen werden von dem Umfeld nur meist nicht ernst genommen.
Der Krisendienst ist rund um die Uhr zu erreichen unter Telefin 0931 571717. Neben zwei Hauptamtlichen arbeiten hier über dreißig psychologische Fachkräfte ehrenamtlich mit. Die Telefonseelsorge, deren Service über achtzig Ehrenamtliche gewährleisten, ist kostenfrei 24 Stunden am Tag zu erreichen unter Telefon 0800 1110-111 oder 222, der Gesprächsladen am Dominikanerplatz unter Telefon 0931 55800. Die AGUS-Gruppe trifft sich jeden 2. Dienstag im Monat, Telefon 09324 2896. Bundesweit gibt es 45 Gruppen.