"Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen" - so ein altes Sprichwort. Ist auch nicht mehr nötig. Meister braucht man nicht mehr unbedingt. Seit die Bundesregierung Mitte 2003 die Ausbildungsbestimmungen lockerte, dürfen - vorerst befristet bis Mitte 2008 - auch Selbständige ausbilden, die keinen Meister gemacht haben. Voraussetzung ist u.a., dass sie persönlich geeignet sind und entsprechende Berufserfahrung - mindestens die doppelte Zeit der Ausbildung - haben. Was Handwerksfirmen und der Industrie- und Handelskammer ein Dorn im Auge ist, bedeutet für viele benachteiligte Jugendliche - oft handelt es sich dabei um Jugendliche mit Migrationshintergrund - eine große Chance. Denn gerade sie haben die höchsten Schulabbrecherqouten in Deutschland, die Jugendarbeitslosigkeit ist bei ihnen doppelt so hoch wie bei deutschen Jugendlichen. Die neue Regelung wird vor allem von Unternehmen ausländischer Herkunft wahrgenommen. Über 300.000 von ihnen mit ca. einer Million Beschäftigten gibt es in Deutschland, meistens sind Türken oder Italiener die Inhaber. Bislang stellen sie nur 25.000 Ausbildungsplätze zur Verfügung.
Zu wenig, sagen der Türke Murat Sunbat vom beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Würzburg und der Italiener Antonino Pecoraro, Vorsitzender des Ausländerbeirats der Stadt Würzburg und Migrations-Erstberater beim Diözesan-Caritasverband. Daher bemühen sie sich, ihren Landsleuten die neue Regelung schmackhaft zu machen. Allein in Würzburg leben ca. 25.000 Menschen mit Migrationshintergrund - über zwanzig Prozent der Bevölkerung. Viele der kleinen Betriebe sind reine Familienunternehmen, doch Sunbat und Pecoraro wollen den Gastronomen, Friseuren oder Gemüsehändlern klarmachen, dass sie mit der Aufnahme eines Azubis nicht nur eine soziale Tat erfüllen, sondern vor allem in ihre eigene Zukunft investieren. Seit Mai 2006, so Sunbat, habe er vierzig zusätzliche Ausbildungsstellen akquirieren können: "Alle in mühsamen Einzelgesprächen".
Ausbildung in Kantine
Einer von ihnen ist Lorenzo Dallheimer. Der 18-jährige Deutsche hat nur einen einfachen Hauptschulabschluss gemacht, seine Noten waren nicht berühmt. Doch in Emanuele La Rosa, dem neuen Pächter in der Kantine des Würzburger Stürtz-Verlages, fand er einen verständnisvollen Chef. "Die ersten Monate machen die Jungen alles falsch, man muss es ihnen auch zum vierten Mal erklären. Doch ich glaube, wir waren auch mal so". La Rosa testete den Jungen erst in einem vierwöchigen Praktikum und nahm ihn dann zur Ausbildung als Fachkraft im Gastgewerbe auf. Dallheimer lernte schnell. "Inzwischen kann ich ihm schon einige Aufgaben alleine anvertrauen". La Rosa, gelernter Maler und Lackierer und wie viele seiner Landsleute Quereinsteiger im Gastronomiegewerbe, beherrscht sein Geschäft im Schlaf. 15 Jahre lang hat er mit seinem Bruder ein großes italienisches Lokal in der Stadt geführt. Den Kantinenposten übernahm er vor einigen Monaten, um abends und am Wochenende mal frei zu haben. Seine Kochkünste sprachen sich schnell herum. Statt der anfänglich zehn Mittagessen gibt er jetzt täglich bis zu neunzig heraus, dazu beliefert er alle Tagungsräume der Firma mit Catering. Angefangen hatte er mit einem Mitarbeiter. Jetzt sind es fünf, die Brötchen schmieren und Essen kochen.
In der neuen Regelung sieht La Rosa eine große Chance für benachteiligte Jugendliche. "Ich war selbst auch kein großes Licht auf der Schule". Dass er als Italiener - auch wenn er schon seit seinem zweiten Lebensjahr in Würzburg lebt - ausgerechnet einem deutschen Jugendlichen diese Chance gibt, ist Zufall, straft aber all diejenigen Lügen, die hierin nur eine Vergünstigung für ausländische Jugendliche sehen. "Vielleicht werde ich den Jungen später sogar übernehmen", überlegt er. La Rosa würde sich freuen, wenn noch mehr Gastwirte bei diesem Programm mitziehen. Allein in der Würzburger Innenstadt stellen die Italiener mit 42 Lokalen die weitaus größte Nationalitätengruppe im Gastronomiegewerbe. Viel Gesprächsbedarf.
Kontakt:
Antonio Pecoraro, Diözesan-Caritasverband, Tel. 0931 386-66783, pecoraroa@caritas-wuerzburg.de
Murat Sunbat, bfz, Tel. 0931 6150-231, sunbat.murat@bfz.de