Die Predigt im Wortlaut.
„Nächstenliebe macht den Glauben glaubhaft“ – so hieß es in der Überschrift zu dem großen Bericht in der Main Post vom 4. März 1969. Damit wurde die breite Öffentlichkeit informiert über das fürwahr historische Ereignis, dass in der Geschichte der Caritas nicht nur in unserem Bistum, sondern auch in Deutschland ein Novum vollzogen wurde: „Ein Laie wurde Caritas-Direktor“.
Dem vielfach als „Aushängeschild“ für die Caritas der Kirche in Unterfranken in den Nachkriegsjahren seit 1945, dem unermüdlichen Pfarrer Robert Kümmert, folgte Anton Feiler. Bei der Übergabe der Verantwortung im Beisein des damaligen Bischofs Josef Stangl gab Pfarrer Kümmert seinem Nachfolger mit auf den Weg, dass es für die Caritas der Kirche entscheidend wichtig ist, „den Stiefkindern des Lebens zu Hilfe kommen. Den Kindern, die nie ihre geistigen und körperlichen Kräfte ganz entfalten können oder schon von der Hetze des Lebens angeschlagen sind. Den Menschen am Rande der Gesellschaft, die in irgendeiner Weise nicht mit dem modernen Leben fertig werden, verstanden, bewahrt und so weit es geht wieder eingegliedert werden sollen. Den einsamen Alten mit der kleinen Rente, den Pflegebedürftigen, derer sich sonst niemand annimmt.“ Außerdem stellte Pfarrer Kümmert fest: „Heute wollen viele den Menschen auf der Schattenseite des Lebens die Schuld an ihrem Los zuschieben, um sich zu entschuldigen.“
In seiner Antrittsrede als neuer Caritasdirektor mahnte Anton Feiler „nicht zu glauben, Not sei aus unserer Zeit verschwunden, Caritas sei überflüssig!“ Er erinnerte: „Während in der unmittelbaren Nachkriegszeit die materielle Not im Vordergrund stand, hat sich die Not im geistigen Bereich verstärkt. Immer noch gilt das Wort Christ: ‚Arme werdet ihr immer bei euch haben.‘“
Anton Feiler krempelte die Ärmel hoch und ging verantwortungsbewusst an die Arbeit. Manche im wahrsten Sinne große Baustellen kamen schneller als erhofft auf ihn zu, z.B. das im Bau befindliche Kinder- und Jugenddorf St. Anton in Riedenberg, bei dem sich der Trägerverein übernommen hatte, und ein finanzielles Desaster auch die am beteiligten Firmen stark geschädigt hätte. Also wurde St. Anton vom DiCV übernommen, zu Ende gebaut und mit Leben gefüllt.
An dieser Stelle ist es nur möglich in Stichworten in Erinnerung zu rufen, wie Anton Feiler das Leitwort der Caritas „Not sehen und handeln“ mit vielen konkreten Maßnahmen umgesetzt hat mit der Errichtung von Sonderschulen für Sprachbehinderte und Erziehungsschwierige, wie es damals hieß, einer Berufsschule für Lernbehinderte, den Werkstätten der Lebenshilfe in Schmerlenbach, dem Bau von St. Michael in Neustadt am Main, einer damals völlig neuen Idee eines Rehabilitationszentrums für psychisch Kranke, das Eingliederungsheim für Nichtsesshafte und Strafentlassene im Johann-Weber-Haus in der Wallgasse, die Vinzenz-Werkstätten in der Gattingerstraße, der Gründung der O/KCV’s, dem Aufbau der psychosozialen Beratungsstellen für Suchtprobleme, der Erziehungsberatungsstellen, der Schuldnerberatung, dem Bau weiterer stationärer Altenhilfeeinrichtungen, der Gründung von 45 ambulanten Krankenpflegestationen, der Einrichtung der Telefonseelsorge, des Krisendienstes, dem sozial-psychiatrischen Dienst, der sozialpädagogischen Familienhilfe, der AIDS-Beratung, der Migrationsberatung, der italienischen Arbeitsnehmerbetreuung, der Begleitung der muttersprachlichen Gemeinden, dem weiteren Ausbau des Simonshofs, der Gründung des mit den Salesianern gemeinsamen Caritas – Don Bosco Berufsbildungswerks.
Dieses weitsichtige Wirken mit dem klaren Blick für das Leben der Menschen und ihre Nöte, ihren Unterstützungs- und Hilfsbedarfen hatte einen im besten Sinne des Wortes guten Grund: Der 1932 in Schmachtenberg bei Zeil am Main geborene Anton Feiler war als Gymnasiast im Bischöflichen Kilianeum in Würzburg, studierte nach dem Abitur in Würzburg Philosophie und Theologie und danach in Nürnberg Sozialwissenschaften, war wissenschaftlicher Assistent an den dortigen Instituten für Soziologie, Sozialanthropologie und empirische Soziologie.
Mit dieser profunden Ausbildung war der junge Familienvater zunächst drei Jahre Präfekt im Kilianeum, wurde 1964 Geschäftsführer des katholischen Werkvolks, heute KAB. Ab 1968 war er Mitarbeiter von Caritasdirektor Msgr. Robert Kümmert, zu dessen Nachfolger er ab dem 1. März 1969 berufen wurde.
Anton Feiler war zutiefst überzeugter Christ. Weil er mit beiden Beinen im Lebens stand, nahm er wahr, was in Welt und Gesellschaft vor sich ging. Er blieb stets sensibel für die Nöte der Zeit und wurde nicht müde immer wieder auf die enge Verknüpfung der drei Grunddienste hinzuweisen: Gottesdienst, Glaubensdienst, Nächstendienst oder, um die Reihenfolge in der Sicht von Anton Feier zu nennen: Dienst am Nächsten, dazu das Zeugnis des Glaubens und schließlich die Feier des Glaubens im Gottesdienst.
Sein persönlicher Glaube, seine theologische Bildung und seine sozialwissenschaftliche Berufserfahrung haben ihn im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Direktor gemacht. Die Wortbedeutung – aus dem Lateinischen abgeleitet – meint jemanden, der die Richtung angibt, der dirigiert. Auch wenn Anton Feiler der Direktor war, zeichnete es ihn aus, Fragen, Herausforderungen sachlich anzugehen, zunächst genau hinzuhören, zuzuhören, um dann eine Entscheidung herbeizuführen. Die Mitarbeitenden respektierten seine hohe Autorität, empfanden ihn aber nicht als autoritär. Er traute seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel zu auf der Basis großen Vertrauens.
Seine Verantwortung als Direktor zeigte sich nicht nur in dem Mut, Aufgaben anzugehen. Er war auch stets auf effektive Arbeitsabläufe bedacht. Eine typische Behörden- oder Beamtenmentalität war ihm zuwider. „Wir sind Dienstleister für die vielen, die in der Landschaft soziale Dienste leisten oder verantworten“, betonte er in einem der vielen Gespräche, zu denen ich mit ihm zusammensaß. Schon als junger Pfarrer hatte ich mit ihm zu tun, und durch die gemeinsame Zugehörigkeit zum Cartellverband katholischer Studenten war ich mit ihm seit langem per Du.
Direktor Feiler hatte hohe Anerkennung bei den unterschiedlichen Kooperationspartnern, den staatlichen Behörden, Bürgermeistern, Landräten und Abgeordneten in Unterfranken, aber auch in Ministerien. Er fand Gehör in den verschiedenen staatlichen Gremien und Ausschüssen, setzte stets auf den Schulterschluss mit der Freien Wohlfahrtspflege.
Zu Beginn unseres Gottesdienstes habe ich erinnert, dass über der Vorbereitung für den heutigen Gemeinschaftsgottesdienst vor dem Hintergrund der biblischen Botschaft die Überschrift stand: „Auf – geklärt“. In der Tageslesung aus der Apostelgeschichte wurde uns berichtet, dass es Paulus wie Schuppen von den Augen fiel, was sein Auftrag sein soll, nämlich Jesus als den Sohn Gottes zu bezeugen. Anton Feiler übersetzte es so: „Nächstenliebe macht den Glauben glaubhaft!“
Er hat Zeugnis gegeben durch seinen Dienst, aber – wie eine Vielzahl von uns bis vor etwa eineinhalb Jahren regelmäßig bei unseren Caritas-Gemeinschaftsgottesdiensten erlebt haben – auch durch die Feier des Glaubens. Deshalb dürfen wir sicher sein, dass sich nach einem erfüllten Leben bewahrheitet, was wir im Evangelium des heutigen Tages gehört haben: „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. … Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“
Anton Feiler hat aus der Kraft des Glaubens an den Auferstandenen gelebt und gewirkt. Caritasdirektor Anton Feiler hat sich im Auftrag der Kirche in der Diözese Würzburg als unermüdlicher Arbeiter im Dienst am Nächsten erwiesen. Deshalb schließen wir uns als Dienstgemeinschaft der Caritas dem Dank unseres Bischofs an und bitten heute Gott, dass ER nun seine treuen Dienste lohnen, sein Vertrauen in den Auferstandenen erfüllen und ihm die Vollendung des Lebens schenken möge.
„Auf – geklärt!“ – Anton Feiler würde sagen: „Ganz klar: „Nächstenliebe macht den Glauben glaubhaft!“
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de