„Wohnen für Hilfe“,
so heißt ein besonderes Projekt von Caritas und Katholischer Hochschulgemeinde
in Würzburg.
„Wohnen für Hilfe“, wir vermitteln
Studentinnen und Studenten, d.h. wir bringen sie in Kontakt mit älteren
Menschen, ob alleinstehend oder betagte Ehepaare, ebenso mit jungen Familien.
Die Studierenden erhalten einen eigenen, geschützten Wohnraum und unterstützen
bzw. helfen den Menschen, die ihnen Quartier bieten. Pro Quadratmeter eine
Stunde im Monat ist ungefähr das Maß, damit noch genügend Zeit für Studium und
Freizeit gegeben ist.
„Wohnen für Hilfe“, die Erfahrungen
der ersten beiden Jahre mit diesem Projekt zeigen, dass in den meisten Fällen
sogar ein persönlicher Kontakt wächst bis hin zu freundschaftlicher
Verbundenheit.
„Wohnen für Hilfe“, eine wunderbare
Form des Ehrenamts, das jungen Menschen wichtige Erfahrungen fürs Leben
ermöglicht und dabei noch Kontakte über die Generationen schafft.
Von daher fiel mir in der vergangenen Woche ein Bericht in
der Mainpost auf unter der Überschrift „Haushaltshelden
für Senioren“. Da war von einer besonderen „Geschäftsidee“ berichtet. Studenten sollen vermittelt werden, die
im Alltag helfen. Wie ich erfahren habe, gibt es in Würzburg inzwischen einen
weiteren Versuch einer kommerziellen Vermittlung von Hilfe zwischen
Studierenden und alten Menschen.
Auf meine Nachfrage nach dem Interesse an kommerzialisierten Hilfeleistungen
erklärte mir ein Fachmann: „Es scheint so
zu sein, dass zumindest die kaufkräftige Kundschaft bezahlte Dienstleistungen
in diesem Feld nachfragt.“
Die Kommerzialisierung des sozialen Dienstes macht mich
nachdenklich, weil sie nicht nur ein wesentliches Merkmal zwischenmenschlicher,
sozialer Kultur beschädigt, sondern mehr und mehr dazu führt, den anderen und
seine Not bzw. Hilfsbedürftigkeit unter ökonomischem, wirtschaftlichem
Blickwinkel zu sehen, wobei letztlich die zu kurz kommen, die eben nicht „kaufkräftig“ sind.
Professionelle Dienste, für die eine besondere berufliche Qualifikation und
damit die Gewähr bestimmter Standards im sozialen Bereich und damit auch
Kontinuität in der Bereitstellung Voraussetzung ist, ist für mich unstrittig,
aber darüber hinaus braucht es das persönliche Engagement der eigenen Familie, des
unmittelbaren Lebensumfeldes und – ganz wichtig als Ausdruck der Solidarität in
der Gesellschaft – ehrenamtliche Dienste von Mensch zu Mensch.
Vor diesem Hintergrund macht mich das Wort Jesu im heutigen
Evangelium nachdenklich:
„Wenn dich einer vor Gericht
bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und
wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit
ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.
…
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür
erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt,
was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?“
Jesus stellt die gängigen Lebensgewohnheiten auf den Kopf. Bei ihm gilt nicht: „Wie du mir, so ich dir“; von seinen Jüngern erwartet er, dass sie ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten großmütig und großherzig einsetzen, ohne sich ausnützen zu lassen.
Bemerkenswert ist die Menschenkenntnis Jesu. Er weiß sehr
genau, dass Unfrieden, Konflikte, Streit und Ausbeutung entstehen, weil
Menschen nur auf sich und ihren eigenen Vorteil bedacht sind.
„Was fehlt dir?“, so kann ich nur
dann fragen, wenn ich innerlich frei, nicht auf mich fixiert bin und mich
angenommen und geliebt weiß.
Deshalb fühlten sich die Menschen in der Nähe Jesu wohl. ER
wusste sich von Gott angenommen und geliebt und konnte deshalb den Menschen mit
Aufmerksamkeit und Wertschätzung begegnen und mehr geben als sie von IHM
erwarteten. Genau das ist es, wozu Jesus einlädt: nicht Gleiches mit Gleichem
zu vergelten, nicht gegen- und aufzurechnen, sondern den anderen durch
Großzügigkeit zu übertreffen.
Dazu fällt mir eine Begebenheit aus dem Leben von Klemens Maria Hofbauer ein. Er war der Wiener Seelsorger im 19. Jahrhundert. Er wollte ein Obdachlosenheim bauen und sammelte Geld dafür. Er ging in die Wiener Kaffeehäuser und hielt den Gästen seinen Hut hin. Eines Tages geriet er an einen Mann, der Wut auf die Kirche hatte. Dieser fuhr ihn an: „Wie kommen Sie dazu, mich um Geld zu bitten?“ und spuckte ihm ins Gesiucht. Klemens Maria Hofbauer nahm sein Taschentuch, wischte sich die Spucke ab und sagte: „Das war für mich, und jetzt geben Sie noch etwas für meine Armen!“ Er hielt ihm den Hut erneut hin. Der Mann war so perplex, dass er ihm seinen ganzen Geldbeutel in den Hut warf.
Der Psychiater C.G. Jung hat bei seinen Studien
herausgefunden, dass ein Mensch besonders unangenehm reagiert, wenn sein
Gegenüber seine eigenen Fehler spiegelt. Der Mann, den Hofbauer um eine Spende
bat, wurde bei dieser Begegnung vermutlich mit seiner eigenen ich-bezogenen
Lebensweise konfrontiert und ist ausgerastet, weil er nicht daran erinnert
werden wollte.
Wie oft ergeht es den Frauen und Männern ähnlich, die z.B. bei der Caritassammlung
an mancher Haustüre schroff abgewiesen werden!
Umso wichtiger ist der Blick auf das, was der Evangelist
Matthäus überliefert:
Jesus fordert nicht, Jesus lädt ein. Er zeigt einen Weg heraus aus der Spirale
von „Wie du mir, so ich dir“, aus der
Spirale von Nutzen und Vorteil, von Gewalt und Gegengewalt. Jesus fordert
nicht, Jesus lädt ein! Darum sind die Haltung und die Rede Jesu wirklich etwas
Neues!
Es heißt nicht: „Du sollst“, „Du musst“, „Du sollst nicht“, jetzt heißt es: „Probiere es aus“, „Riskiere
es“. Es werden sich neue Möglichkeiten des Miteinanders auftun.
Das gilt auch für die Feindesliebe. Nicht nur das Christentum kennt sie, auch andere Religionen und Philosophien. Faszinierend aber ist, wie Jesus sie begründet. Nicht als moralische Weisung, nicht als verzweifelten Aufruf angesichts der sozialen Kälte oder der Gewalt in unserer Welt, sondern weil wir alle Kinder Gottes sind, die auch Verantwortung füreinander haben, deren Leben einander von Gott anvertraut ist. Von daher sehe ich den Menschen mir gegenüber mit anderen, mit verstehenden und barmherzigen Augen.
Deshalb sträube ich mich innerlich dagegen, vom „sozialen Markt“ zu sprechen, auf dem
gewinnbringende soziale Dienstleistungen angeboten und vor allem unter dem
Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit betrieben werden. Bei aller erforderlichen
Wirtschaftlichkeit gerade im Blick auf die professionellen, beruflichen Dienste
und die erforderlichen Rahmenbedingungen wie z.B. die Einrichtungen usw. bleiben
die unmittelbare Sorge um den Mitmenschen und der soziale Dienst eine
Herausforderung für das solidarische Miteinander. Dies ist eine wesentliche
Aufgabe für Kirche und Gesellschaft und zwar in einer wirkungsvollen Verzahnung
von beruflichem und ehrenamtlichem Dienst.
Kirche und ihre Caritas können dabei Vorbilder sein und somit die Menschen, die
Gesellschaft prägen wie z.B. durch das Angebot „Wohnen für Hilfe“, – im Gegensatz
zu den gegen Gebühr vermittelten und bezahlten „Haushaltshelden für Senioren“.
„Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?“ – Damit bliebe alles beim Alten. Jesus aber tut schlägt neue Saiten im Miteinander der Menschen an.
Zur Besinnung nach der Kommunion
Sag, warum glaubst du
noch immer
schon wieder
immer wieder neu?
Vielleicht weil EINER
an mich glaubt
darum glaub ich!
Sag, worauf hoffst du
noch immer
schon wieder
immer wieder neu?
Vielleicht dass EINER
mir vertraut
darauf hoff ich!
Sag, wofür lebst du
noch immer
schon wieder
immer wieder neu?
Vielleicht dass EINER
durch mich lebt
dafür leb ich!
(Lothar Zenetti)