Zur Einstimmung in den Tag hatten sich die beiden Referentinnen Franziska Brod, Fachberaterin Altenhilfe, Hospiz, Palliativ, Ethik und Praxisanleitung im Diözesancaritasverband, sowie Sybille Zink, Ethikberaterin, etwas Besonderes einfallen lassen: Passend zu dem an diesem Tag doch sehr regnerischen und grauen Wetter, verteilten sie Stimmungskarten mit Wettersymbolen in den vier Winkeln des Seminarraumes im Exerzitienhaus Himmelspforten. Anhand ihrer aktuellen Gemütslage verteilten sich die Ethik-interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, alle in unterschiedlichen Funktionen in der Pflege und Betreuung tätig, in den verschiedenen Ecken. Die Anordnung wurde genutzt, um ein kurzes Stimmungsbild der Teilnehmenden abzufragen und eine Vorstellungsrunde durchzuführen.
Im Anschluss daran stiegen die Anwesenden voll in das Thema ein: Selbstbestimmt Leben im Alter. Was bedeutet das eigentlich? Und wo kommen die beruflich Pflegenden in ihrem Arbeitsalltag damit in Berührung? Solche und weitere Fragen kamen im Rahmen der von Franziska Brod und Sybille Zink angestoßenen Diskussion auf. „Von Selbstbestimmung in der Altenpflege zu sprechen, ist eigentlich eine Farce“, gab dabei eine Teilnehmerin zu bedenken. Denn dass wegen des festgesetzten Zeitplans in einer Einrichtung nicht alle individuellen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner in Gänze berücksichtigt werden können, bestätigten alle Anwesenden. Hier gehen – zum Bedauern aller – leider der Anspruch und die Wirklichkeit ein wenig auseinander. Mit einer Gruppenarbeit, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überlegen sollten, wo sich in der Pflege und im Umgang mit den betagten Menschen doch Selbstbestimmung äußert, konnten die Referentinnen dennoch aufzeigen, dass es auch in der Pflege sehr wohl Freiräume für ein selbstbestimmtes Leben gebe, man müsse sich diese nur schaffen. „Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die Spielräume für Selbstbestimmung und Aushandlung auf Augenhöhe bis zuletzt bieten“, so Brod in einem kurzen Zwischenfazit. Auch das gemeinsame Eintreten für echte Wahlmöglichkeiten und gerechte Ressourcen in der Pflege, trage zu einer gelingenden Selbstbestimmung aller bei.
Aktueller Stand zu einem wichtigen Thema
Im zweiten Teil des Tages befassten sich die Anwesenden mit einer weiteren Ausprägung von Selbstbestimmung im Alter. Nun war „Assistierter Suizid“ Gegenstand der Diskussion. Dazu brachten Brod und Zink alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst einmal auf einen gemeinsamen, aktuellen Wissensstand. Was hat sich seit der Abschaffung des Paragrafen § 217 StGB im Jahr 2020 getan? Wie ist die rechtliche Lage? Kommen Pflegende während ihrer täglichen Arbeit mit diesem Thema überhaupt in den direkten Kontakt? Und wenn ja, wie gehen sie damit um? Dass das Thema die Pflegenden bewegt, zeigte die anschließende Debatte, bei der am Ende für alle deutlich wurde: „Der Mensch hängt – selbst in Krankheit und Gebrechlichkeit – an seinem Leben.“
Wie positioniert sich die Caritas?
Bereits im September 2021 hatte der Deutsche Caritasverband eine vorläufige Orientierungshilfe zum assistierten Suizid herausgegeben. In dieser wurden Eckpunkte benannt, um auf der Basis einer das Leben schützenden Haltung in den Caritas-Einrichtungen und -Diensten den Menschen zur Seite stehen zu können und gleichzeitig das Recht auf Selbstbestimmung zu respektieren. „Vielmehr hat sich seitdem leider nicht getan – und die Abschaffung des Paragrafen § 217 StGB ist mittlerweile schon drei Jahre her“, brachte Franziska Brod die aktuelle Situation treffend auf den Punkt. Viele Pflegekräfte würden sich eine klare Handlungsanweisung wünschen, wie sie damit umgehen, wenn Bewohnerinnen und Bewohner von Senioreneinrichtungen ihnen gegenüber Sterbewünsche äußerten. Doch diese Weisung könne aufgrund viel zu vieler Unstimmigkeiten und Unklarheiten in den eingebrachten Regelungsvorschlägen derzeit niemand geben, so Brod. Wann die Abstimmungen zu dem Thema den Bundestag durchlaufe, sei ebenfalls noch offen.
Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege trotzdem eine Hilfestellung zu geben, arbeitet der Caritasverband für die Diözese Würzburg derzeit in einem Arbeitskreis an der Ausarbeitung einer Handreichung zum Thema „Assistierter Suizid“. Diese soll an die kürzlich erschienene Handreichung des DiCV München und Freising angelehnt sein und Mitarbeitenden der Einrichtungen und Dienste im caritativen Bereich zur Verfügung gestellt werden.
Mitarbeiter tragen „Sonne im Herzen“
Während es morgens noch geregnet hatte, hatte sich auch das Wetter zum Nachmittag hin aufgehellt. Sogar einzelne Sonnenstrahlen spitzen hinter den Wolken vor. Dies nahmen Brod und Zink zum Anlass, nochmals ihre Wettersymbole zu zeigen und zum Abschluss des Ethiktages eine erneute Stimmungsabfrage unter den Teilnehmenden einzuholen. Das einhellige Ergebnis: Mit Sonne im Herzen lassen sich auch schwierige Themen wie „Selbstbestimmung im Alter“ und „Assistierter Suizid“ diskutieren, aushalten und sinnvoll in die Einrichtungen weitertragen.
Theresa Siedler